Seemannschaft6 min Lesezeit

Dos and Dont’s beim Mitfahren

Tipps für Gäste und Mitfahrer eines fremden Bootes

Dos and Dont’s beim Mitfahren
Einer an Bord entscheidet © Swedesail

Sie segeln irgendwo mal mit? Sie sind zur Probefahrt eines Motor- oder Segelbootes eingeladen? Sie verbringen ein Wochenende an Bord der Yacht eines Bekannten? Sie planen einen gemeinsamen Törn? Das erfordert Takt, Geschick und manchmal auch eine klare Entscheidung.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 02.04.2018, aktualisiert am 11.05.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • wie man sich als Neuling oder Gast an Bord am besten anstellt
  • warum es auf jedem Schiff eingespielte Abläufe und eine bestimmte Ordnung gibt
  • wie lässt sich die Entscheidung des Skippers beeinflussen
  • wie wichtig ist es für Anfänger und Gäste an Bord gehört zu werden
  • wie anstrengend unnötige Hierarchien und Wichtigtuerei an Bord sind
  • warum Fragen besser als ungebetenes Besserwissen ist

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Anfang der Achtzigerjahre war ich mal auf einem Regattaboot in den Staaten unterwegs. Bei der nächtlichen Rückkehr von einer Wettfahrt wollte der Eigner des Bootes partout eine in der Dunkelheit vor uns liegende Insel queren. Über der Insel war der beschienene Himmel seiner Heimatstadt zu sehen. Es war sein Boot, sein Revier. Er war der Chef. Eine vertrackte Situation. Wie sollte ich als Gast an Bord, so jung, dass ich sein Sohn hätte sein können, zudem noch aus dem fernen Germany, ihm klar machen, dass das keine gute Idee war? Es verlangte Takt, den richtigen Ton und geeigneten Moment zu zweit unten am Kartentisch, um ihn von diesem Plan abzubringen. So, dass er vor seiner Crew nicht das Gesicht verlor.

Ende der Achtziger segelte ich mal als Gast auf einem Admiral's Cupper auf der Elbe mit. Um es zum Hamburger Yachthafen zurückzuschaffen, mussten wir in der Abendflaute gegen die Strömung dieseln. Plötzlich wurde der Motor warm und sicherheitshalber abgestellt. Wir trieben zurück. Guter Rat war teuer. Nach einigem Palaver schlug ich vor, den anscheinend defekten Impeller auszubauen und die Motortemperatur über die Stellung des Seeventils zu justieren. Der Vorschlag wurde eine gefühlte Ewigkeit überhört, weil er halt von «dem Neuen» an Bord kam. Irgendwann wurde es dann doch so gemacht. Ich verstand gut, dass es genauso laufen musste – und beließ es bei diesem Gastspiel an Bord. Das war mir einfach zu viel Bugwelle, Hierarchie und Gedöns.

Ich nahm folgende Erkenntnis in mein weiteres Seglerleben mit. Wenn der Skipper selbst keine Lösung hat, sollte er bereit sein, sich die Ideen anderer anzuhören. Dabei spielt es keine Rolle, von wem sie kommen. Es könnte eine bessere Idee als die eigene Ratlosigkeit dabei sein. Natürlich ist ungefragtes Klugscheißen an Bord ein echtes Don’t. Wenn man als Gast an Bord aber den Eindruck hat, dass etwas schiefläuft oder keiner einen Plan hat, sollte man seine Meinung sagen können und auch gehört werden. Dazu braucht es Takt, sprich den richtigen Ton und Moment, damit man die Entscheidung des Skippers beeinflussen kann.

Schöne Segelstunden auf der Ostsee
Schöne Segelstunden auf der Ostsee © Swedesail

Denn eines ist klar: Es gibt oft verschiedene Meinungen an Bord, aber das Cockpit eines Bootes ist nicht der Bundestag, wo alles ausdiskutiert wird und jeder seinen Senf dazu geben kann. Sie kennen das Sprichwort: «Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt». Das ist der verantwortliche Skipper, meist auch Eigner des Bootes. Der Skipper sagt, was gemacht wird und wie.

Vor einer Weile segelte ich mal einen Tag auf einem heißen Regattaboot in der Karibik mit. Es war eine eingespielte Crew an Bord und sonnenklar, dass ich da als lebendiger Ballast dabei bin. Es war ein toller Tag auf dem Wasser. Ich hockte mit wildfremden Burschen aus Hongkong und New York auf der hohen Kante, sah den Kiel unter uns durch das türkisfarbene Wasser flitzen. Ich hatte keine weitere Funktion, keine besondere Aufgabe – bis ich eine vom Steuermann und Skipper des Bootes bekam. Womit ein wichtiges Do beim Mitfahren auf Booten gleich welcher Art formuliert ist: Erst mal gucken, wie es an Bord gehalten wird, wie die Bräuche so sind und machen, was ansteht.

Auf einer namhaften klassischen Charteryacht müssen die Kaffeebecher nach dem Abwasch in einer bestimmten Ordnung in der Pantry hängen, sonst wird der Skipper grantig. In diesem Punkt geht es an Bord zu, wie bei der Marine. Es ist vielleicht eine seltsame Marotte des Schiffers. Aber machen Sie es so, wie er es haben will. Viele Segler sind hinsichtlich der Ordnung an Bord geradezu pedantisch. Bei mir an Bord müssen die Zeisinge zum Auftuchen des Großsegels steuerbord an der Griffleiste neben dem Niedergang hängen. Sie könnten natürlich auch backbord hängen, in einem Schwalbennest, der Plicht oder in der Backskiste liegen.

Aber dann müsste man die Dinger jedes Mal suchen. Es gibt für den fast schon bedenklich erscheinenden Ordnungssinn erfahrener Segler meist einen Grund. Deshalb frage ich immer, wenn ich an Bord eines anderen Bootes bin: Wo sollen die Fender, die Bändsel, die Festmacher, die Winschkurbel nach Gebrauch hin? Es gibt sogar Boote, da muss das Tauwerk in einer bestimmten Art und Weise zusammengelegt (aufgeschossen) werden. Machen Sie es einfach so, wie der Schiffer es haben will. Es hat meist einen Grund und den erfährt man nach einer Weile an Bord. Wenn Sie dann irgendwann an Bord verschiedener Boote Erfahrungen gesammelt haben, wissen Sie, welche Ordnung sinnvoll ist oder was davon übertrieben erscheint.

Es gibt vermutlich keine zweite Freizeitbeschäftigung, wo so viel Ego im Spiel ist wie beim Wassersport. Gerade für Männer sind Boote Ego-Vergrößerungen. Das macht die Sache unnötig anstrengend. Denn es geht zwar vermeintlich um die Sache, eigentlich wird aber mit Fachfragen und damit einhergehendem Kompetenzgerangel an Bord etwas anderes verhandelt. Es geht um Macht, Geltung, das eigene Revier.

Ganz gleich wie viel Ahnung oder Erfahrung jemand mitbringt, eine Meinung, wie es geht, hat er bestimmt. Motorbootfahren und Segeln ist nach meiner langjährigen Beobachtung an Bord des eigenen Bootes oder unterwegs auf fremden Planken ein Besserwisser-Sport. Das kann anstrengend und lästig sein.

Als Schiffsführer erlebe ich manchmal Situationen, wo Genörgel und Hinweise, es müsse gemäß Segelschulbildung, neulich erworbenem Segelschein oder Seeschiffahrtsstraßenordnung so und so gehandhabt werden, einfach nur nervig sind. Mancher Anfänger möchte jedes Manöver nach einem bestimmten, starren Schema ausgeführt sehen, weil er es so gelernt hat.

Besserwisserei zu Nebensächlichkeiten kann allen an Bord die schöne Zeit auf dem Wasser versalzen. Aber was dem erfahrenen Segler als nebensächlich, als überflüssige Schulmeisterei erscheint, ist dem Einsteiger in den Wassersport vielleicht gerade wichtig. Wie im sonstigen Landleben auch gibt es verschiedene Wahrnehmungen. Wenn Sie gerade erst ins Metier einsteigen, sollten Sie den alten Salzbuckel oder Segelfuchs, den versierten Nautiker lieber nicht mit Ihrem frisch erlernten Segelschulwissen nerven. Wenn Sie mit seiner Art der Schiffsführung nicht klarkommen, mustern Sie lieber bei nächster Gelegenheit ab. Suchen Sie sich jemand, mit dem es besser geht.

Ein Segeltag mit großer Crew und guter Stimmung
Ein Segeltag mit großer Crew und guter Stimmung © Swedesail


Wenn der Skipper des Bootes ein Manöver in einer bestimmten Art ausgeführt sehen möchte, dann widersprechen oder diskutieren sie keinesfalls. Machen es genau so, wie er es haben möchte. Es gibt später, abends im Hafen dann Gelegenheit, darüber zu sprechen. Gibt es über kurz oder lang zu viel «Gesprächsbedarf» – abmustern. Es macht keinen Spaß, die wertvolle Zeit an Bord mit unterschwelligem Missklang, Rechthaberei bis hin zu offen ausgetragenen Streit zu verbringen.

Wenn Sie eine Probefahrt an Bord eines Bootes machen oder eingeladen sind, ist klar, dass vom Ab- bis zum Anlegen alles so läuft, wie der Eigner, Verkäufer und Skipper es möchte. Niemand käme auf die Idee, dem Gastgeber während einer Einladung zu erklären, wie er seine Gäste bewirten sollte, oder?

Wenn Sie nun einen längeren Törn planen, schauen Sie sich den Skipper genau an. Wichtiger als seine Scheine ist die Erfahrung, seine Zuverlässigkeit, Übersicht und wie er sich um die Technik des Bootes kümmert. Aber besten unterhalten Sie sich mit jemand, der schon mit ihm unterwegs war. Und sollten Sie unterwegs den Eindruck haben, dass gerade etwas gravierend schiefläuft, dann versuchen Sie die Dinge möglichst freundlich und mit Takt zu ändern. So, dass der, der an Bord das Sagen hat, sein Gesicht nicht verliert.

Ich habe mir bei meinen Törns angewöhnt, Dinge, die ich nicht allein entscheiden muss, mit der Crew zu besprechen. Bei der Planung gibt es meist mehrere Möglichkeiten, für den Liegeplatz am Abend eine Alternative. Wird das vor dem Ablegen oder unterwegs gemeinsam besprochen, wird bei verschiedenen Meinungen über solche Fragen abgestimmt, fühlen sich alle an Bord, auch die Einsteiger in den Wassersport, ernst- und angenommen.

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VG