Seemannschaft3 min Lesezeit
Sprechen Sie Nautisch?
Mit der allgemeinverständlichen Bordsprache Deutsch geht es besser
Ein Plädoyer für eine möglichst verständliche Bordsprache ohne überflüssiges Fach-Chinesisch und unnützes Schulmeistern.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 23.02.2017, aktualisiert am 13.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Über den Vorteil sich auch sprachlich barrierefrei an Bord zu begeben
- Welche Fachbegriffe entbehrlich sind und welche leider nicht
- Wie man Anfänger mitnimmt, statt ausgrenzt
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Seit Jahrzehnten bin ich mit wechselnden Crews unterwegs. Dabei fällt mir auf, dass viele Einsteiger absurd überausgerüstet kommen. Vor einer Weile hatte ich jemanden an Bord, der sich für eine Kaffeefahrt bei absehbar zwei Windstärken einkleidete, als ginge es bei Kuhsturm ins Fastnet Race. Der arme Kerl war vollkommen unbeweglich in seinem Overall, Stiefeln, Mütze, Lifebelt und Schwimmweste. Der Karabinerhaken seines Lifegurtes dengelte ans Boot. Immerhin hatte er die Stirnlampe im Seesack gelassen.
Aufgefallen ist mir auch, dass Scheine und deren Geltungsbereiche enorm wichtig sind. Auch da bin ich tolerant, wende mich aber innerlich gähnend dem Meer zu. Gibt es etwas Langweiligeres als die Seeschifffahrtsstraßenordnung und dazu gehörende Paragraphenreiterei? Wenn die Begegnung mit großen Pötten auf dem Kiel-Ostsee-Weg auch nur ansatzweise unsicher ist, fahre ich da hinten (achtern) herum. Die laufen mit 15 bis 20 Knoten und ich halt Welten langsamer. Der Kerl auf der Brücke hat Dienst, ich Freizeit. Kapiert der Steuermann eines anderen Freizeitbootes nicht, dass er ausweichen muss, lasse ich ihn durch. Anders ist es bei kleine-Jungs-Fights wie Privat-Regatten. Da gilt gnadenlos Backbord- vor Steuerbordbug.
Drittens muss man sich an Bord anscheinend immer möglichst fachlich, also ungewohnt und unnötig anstrengend ausdrücken. Obwohl ich schon länger segele, sage ich an Bord grundsätzlich links und rechts. Dafür werde ich auch in der kommenden Segelsaison wieder von manchem Experten Texte bekommen. Nun gehöre ich zur werktätigen Bevölkerung. Ich lebe und arbeite die Woche über am Land - wie übrigens alle meine Segelfreunde auch. Deshalb sage ich fast immer links und rechts statt back- und steuerbord. Warum? Ganz einfach. Das versteht jeder.
Natürlich hat es den unschlagbaren Vorteil, dass die Back- und Steuerbordseite an Bord definiert sind, es also keine Verwechslung geben kann. Wenn aber vorne links an der Reling ein Bootskissen (im Nautikersprech Fender - ich finde den plattdeutschen Begriff Knallbüdel viel anschaulicher) wegzunehmen ist, oder ein Backstags-Bändsel, dann bitte ich auf Deutsch darum. Meist stehen wir ja nebeneinander im Boot und blicken in Fahrtrichtung.
Jedoch gibt es an Bord eines Bootes Ausrüstungen, die klar, also von Anfang an gleich richtig benannt werden müssen. Da helfen keine Eindeutschungen. Das Bordleben würde sonst zu umständlich. Wer weiß, was ein Vor- und Achterstag ist, was und wofür Backstagen sind, kommt an Bord besser zurecht. Zum Glück ist meist Zeit, all die Begriffe segelnd, Schritt für Schritt zu erklären. Das gern von Anfängern und Experten vorgeführte Fachchinesisch ist da nur lästiges Bollwerk.
Dieser ganze aufgeblasene Nautikersprech nervt, er törnt ab. Das ist was für den Tresen im Klubhaus oder die Seglerkneipe, wo bekanntlich die größten Kaphoorniers beidrehen und bei steigendem Pegel Heldentaten aus früheren Zeiten ausschmücken.
In den Neunzigerjahren war ich einmal mit Mario in der Adria unterwegs. Er hatte einen tollen Schlitten und beherrschte diesen perfekt. Ich war sein Marinero, sein Matrose, wie er mich augenzwinkernd nannte. Bordsprache war Englisch und er sagte immer nur left oder right statt port- oder starboardside. Irgendwann fragte ich ihn, warum. Wir wären doch beide Segler. Mario erklärte, nur Mailänder würden Back- und Steuerbord sagen. Das wären alles Landratten, ein Menschenschlag, dem ohnehin nicht zu helfen sei. Mario kam aus Genua. Alles Klar?