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Reinke Yachten: Patenter Plattenbau

Warum die Multiknickspanter beliebt und vielleicht eine gute Wahl sind

Reinke Yachten: Patenter Plattenbau
Die dunkelblaue Bordwand und das teakverkleidete Deckshaus stehen dieser 14 m langen «Hydra» © Klaus Eichler

Es gibt ihn in blankem oder gestrichenem Alu und aus Stahl. Der Doppelknickspanter mit kantigen Aufbauten und umlaufender Scheuerleiste ist robust, erschwinglich und aus mehreren Gründen bei Langfahrtseglern gefragt.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 15.03.2018, aktualisiert am 07.10.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • was in der cleveren Multiknickspant-Bauweise steckt
  • warum der sogenannte «Reinke-Sechskant» ein Achtkant ist
  • Einblicke in Kurt Reinkes Leben als Segler und Konstrukteur
  • weitere Reinke Ideen zum Fahrtensegeln
  • wie die dritte Reinke-Generation 2022 weiter macht
  • Tabelle der Reinke Konstruktionen

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Reinke Segelboote: Zeitlos praktische Segelyachten

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Diese Merkmale machen Reinke Yachten, sie entstehen meist als Rohbau, der dann in Eigenregie fertig gestellt wird, oder komplett als Eigenbau, zur ersten Wahl für Individualisten und segelnde Aussteiger. Das weitgereiste Expeditionssegler-Ehepaar Wilts ist das berühmteste Beispiel dafür. Ihre «Freydis» brannte in Südamerika aus, sank während einer abenteuerlichen Überwinterung in der Antarktis und überstand 2011 sogar den Tsunami in Japan. Hätte sich das Boot bergen lassen, hätten die Wilts nicht mit ihrer dritten Reinke Yacht abgelegt.

Gekonnt gefalzt: Der Reinke-Achtkant im Querschnitt
Gekonnt gefalzt: Der Reinke-Achtkant im Querschnitt © Peter Reinke

In fast jedem Hafen und Bootslagerbiotop, wo auf das Preis-Leistungs-Verhältnis geachtet wird, begegnet man einer Reinke Yacht. Ihre Eigner sind Praktiker, bodenständige und hilfsbereite Leute.

Sechs- oder Achtkanter?

Nun muss ich kurz auf die Qualitäten des «Reinke-Sechskants», wie er in Anspielung auf seine Spantform von Insidern, der Fraktion der Schrauber, Flexer und Schweißer liebevoll genannt wird, zu sprechen kommen. Obwohl die meistgebauten Reinkes, nämlich die mit Backdeck, eigentlich Achtkanter sind, wenn man die beiden Falze am Übergang der oben eingezogenen Seitenwand des Aufbaues mitzählt.

Ihre Form verdanken die Reinke-Yachten der Tatsache, dass sich ein Stahl- oder Aluminiumblech schlecht um zwei Achsen biegen lässt. Ein Blech innerhalb gewisser Grenzen um eine Achse biegen mag ja noch gehen, aber eine sogenannte Abwicklung um zwei Achsen hinkriegen, dazu braucht es großes handwerkliches Geschick, einige Erfahrung und spezielles Werkzeug, wie im Werkstattboden verankerte Biegevorrichtungen. Deshalb entwickelte Reinke seine patenten Plattenbauten, wo die Bleche für seine Multiknickspanter lediglich um eine Achse zu wölben sind.

Reinkes sind, wie andere Bootstypen auch, eine Seglerweltanschauung. Und sie sind das Lebenswerk des unermüdlichen Tüftler Kurt Reinke (1933 - 2000), der dreißig Jahre wie besessen nebenher, in Feierabendarbeit daran arbeitete. Hauptberuflich arbeitete Kurt Reinke in der Yachtabteilung der Bremer Edelwerft Abeking & Rasmussen. Dort war er jeden Tag mit der Formgebung von Leichtmetall Rümpfen beschäftigt, somit ziemlich vom Fach.

Reinke 15 M in südlichen Gewässern mit vorbalanciertem «Trekker» Fockbaum
Reinke 15 M in südlichen Gewässern mit vorbalanciertem «Trekker» Fockbaum © Peter Reinke

Reinke half bei der Entwickung des Britton Chance Eintonners "Optimist", den Hannes Beilken sehr erfolgreich segelte. 1971/2 beschäftigte sich Reinke als Mitarbeiter des amerikanischen Yachtkonstrukteurs Britton Chance Jr. mit Schlepptankuntersuchungen in den Staaten. Reinkes Erkenntnis der etwa 400 Messreihen im Stevens Institute in Hoboken bei New York war: Rümpfe mit einem hohen prismatischen Koeffizienten laufen besser. Reinke setzt sie wenig später mit moderat fülligen Vorschiffspartien und dem eigenwilligen Bürzel unter dem Heck seiner Konstruktionen um.

Kurt Reinkes «HD» oder «Hobby-Design»

Wieder nach Bremen und zu A&R zurückgekehrt, fing der Autodidakt mit dem eigenen Entwurf von Booten an. Er nannte seine Feierabendbeschäftigung in deutlicher Abgrenzung zu seinem Tagwerk bei der angesehenen Werft «Hobby-Design». Daher das bis heute gültige Kürzel HD. Bald wandte sich Reinke von seinen zunächst propagierten rundspantigen Konstruktionen, dem 7,55 m Kajütboot «Omega», der 9,20 m Desty 6,80 m «Contra» oder dem Reinke 5,5er ab. Er entwickelte die Doppelknickspantbauweise, wobei er den oberen Knick zwischen dem mittleren und oberen Bordwandblech so anordnete, dass das Schiff bei 20 Grad Krängung weich einsetzt.

Reinke zeichnete die «Secura», einen 9,30 m langen, Watt-tauglichen, um die 5 Tonnen verdrängenden « Motorsegler» mit 1,80 m Tiefgang (Hubkiel) und ganzen 0,95 m in der kimmkieligen Ausführung. Es folgte die «Taranga», eine 10 m Konstruktion mit 1,60 m, alternativ 1,35 m Tiefgang in der Kurzkielversion, der Reinke 11er, ein gleitfähiger Motorsegler mit Backdeck und Decksalon unter dem angehobenen Aufbau. Schließlich die «Super-Secura», ein 11,20 m Motorsegler mit Ballastschwert und die beliebte 14 m «Hydra», gefolgt von der 17,50 m Ketch «Super Hydra».

Der Blick in einen Reinke-Neubau zeigt die charakteristische Knickspantbauweise
Der Blick in einen Reinke-Neubau zeigt die charakteristische Knickspantbauweise © Michael Tuerschmann

Der 2021 verstorbene Sohn Peter Reinke, bei der Fassmer Werft bis 2020 als Diplom-Ingenieur und Kunststoff-Fachmann tätig und nach Flensburg umgezogen, erinnerte seinen Vater als «durchsetzungsfähige und selbstbewusste Persönlichkeit.» Das wird auch in Kurt Reinkes Aussagen bezüglich der Segeleigenschaften und weiterer Vorzüge seiner Boote deutlich: «Dieser robuste Doppelknickspanter ist als pflegeleichte Ganzstahl-Konstruktion ausgelegt» heißt es in Reinkes umfänglicher Literatur vollmundig und leider schlicht irreführend. Stahlboote haben unbestreitbare Vorzüge, pflegeleicht waren sie allerdings noch nie. Das wussten und wissen Generationen Rost klopfender, regelmäßig Mennige malender Seeleute und Freizeitkapitäne und natürlich auch der Metallschiffs- und Bootsbauer Kurt Reinke.

Später, angesichts der Verfügbarkeit und vereinfachten Verarbeitungstechniken von Aluminium, Reinkes Arbeitgeber Abeking & Rasmussen gehörte zu den Pionieren des Aluyachtyachtbau (siehe «Germania IV», «Ondine» und die sogenannte Schweißbadsicherung) ist Reinke von solchen Aussagen abgerückt. Er propagierte später das wesentlich leichtere und vor allem pflegeleichtere Aluminium für seine Konstruktionen.

Reinkes RB, die «Reffbaumfock»

Auch sonst war der Segler und Praktiker Kurt Reinke ein Freund von Grundsätzen. So lehnte er den in den Siebzigerjahren in Mode gekommenen Brauch, Vorsegel per Rollanlage zu reffen, ab. Der Segelstand ist bekanntlich unbefriedigend bis kathastophal, der Verschleiß einer Rollreffgenua gegenüber einem herkömmlich passend zum Wind gesetzten Vorsegel enorm. Reinke entwickelte stattdessen mit seinem Fockbaum reffbare Allroundvorsegel, deren Fläche ähnlich wie beim bewährten und bis heute üblichen Bindereff des Großsegels dem Wind angepasst wird.

Dank seines Faibles für Kürzel, es gibt eine eigene Reinke Nomenklatur, nannte er sie «RB-Fock», wobei die Buchstaben für «Reffbaumfock» stehen. Das System wurde von einem norddeutschen Segelmacher, zum sogenannten «Trekker», einer Art vorbalancierten Fock weiterentwickelt, die dem Vorschiff einen zappelnden oder schlagenden, somit gefährlichen Fockbaum hinzufügt. Zusätzliche Hardware, Wartungseinheiten und Kosten widersprechen dem unbedingt zu beherzigenden Keep it simple-Prinzip. Dennoch: Reinke hat unermüdlich über Lösungen zum Fahrtensegeln nachgedacht.

Durchgesetzt hat sich bei den Reinkes das so genannte Semi-Cutter Rigg, das seinen ungewöhnlichen Namen der Tatsache verdankt, dass die beiden, an hintereinander montierten Vorstagen gesetzten Vorsegel nicht wie beim typischen Kutter gleichzeitig gesetzt werden, sondern abwechselnd – entweder die meist vom beschriebenen Fockbaum stabilisierte Fock, oder die Genua am bis zum Masttop reichenden Vorstag. Die Segelgeometrie und entsprechenden Flächenschwerpunkte tarierte der Reinke so aus, dass sich auch bei Starkwind mit der kleinen Fock nur eine leichte wie wünschenswerte Luvgierigkeit ergibt. Eine clevere wie interessante Lösung.

Bald setzt Reinke anstelle der herkömmlichen Kimmkielkonfiguration auf den asymmetrischen Kimmkieler, den er als «ASY-Twinkieler» propagierte. Die Lösung kombiniert seglerische Vorteile wie den verbesserten Auftrieb bei am Wind Kursen mit geringem Tiefgang und der Möglichkeit, bei Niedrigwasser mit dem Boot im Watt problemlos waagerecht zu stehen.

Die robuste Bauweise und der geringe Tiefgang eignen sich für Tidengewässer
Die robuste Bauweise und der geringe Tiefgang eignen sich für Tidengewässer © Peter Reinke

Peter Reinke erinnerte seinen Vater als Workaholic, der sich wenig Schlaf gönnte und zugunsten seiner Passion über Jahrzehnte Raubbau an seiner Gesundheit betrieb. Nach seiner vorzeitigen Pensionierung im Alter von 55 Jahren gab Kurt Reinkes dann richtig Gas: Geradezu besessen arbeitete der Senior an der Perfektionierung seines «alternativen Yachtbau mit HD-System», den er beharrlich als Typyachtbau von manchem minderwertigen, handwerklich und seemännisch fragwürdigen Erzeugnis der Bootsbastler- und Heimwerkerszene abzugrenzen suchte.

Reinkes Zeichnungen, Baubeschreibungen und Kalkulationen waren bis ins Detail ausgearbeitet. Rundbriefe, Dokumentationen und das umfängliche Manuskript des Standardwerkes «Yachtbau» von Autorentrio Reinke/Lütjen/Muhs lieferte er in legendär sauberen handschriftlichen Druckbuchstaben. Vom Computer hielt Reinke nichts. Da war und blieb er leider etwas von gestern.

Die prall mit Argumenten gefüllten Anzeigen im damals noch erhältlichen Klasings Bootsmarkt geben eine Idee seines berstenden Sendungsbewusstseins. Auch die dem jeweiligen Zeitgeist angepassten Produktbezeichnungen «Reinke 11,5 Öko» oder «Euro», und die vielseitige Konzeption seines Motorseglers «Reinke 11MS» zeigen, wie verkäuferisch er dachte.

«Reinkes sind Langzeitsegler für Langfahrtsegler» fasste Peter Reinke die Segelweltanschauung seines Vaters mal bei einem Besuch damals noch in Bremen zusammen. Er lernte das Pläsier mit Schot und Pinne auf der väterlichen «Minisuper» auf der Weser, gefolgt von mancher Meile an Bord einer «Omega». Er führte das ideelle Erbe seines außerordentlich tüchtigen Vaters bis zu seinem Tod weiter. Seit 2022 bemühen sich Kurt Reinkes Enkel Sverre Reinke, seine Schwester Kyra Reinke und ihr Partner Elmar Krüger um die Reinke Yachten.

Die 11 MS segelte Kurt Reinke selbst
Die 11 MS segelte Kurt Reinke selbst © Peter Reinke

Leider sind Reinke Yachten nicht direkt Juwelen des Bootsbaus. Kantige Rümpfe und Aufbauten sind allerdings unvermeidbar, wenn man für den Bruchteil der Kosten eines Kleinserien- oder Einzelbaues ein Blauwasser-taugliches Schiff möchte. Es ist besser mit einem zweckmäßigen Reinke Sechs- oder Achtkant seinen Traum zu leben als lebenslänglich vom unerschwinglich teuren Boot zu träumen. Wenn Sie sich das Abenteuer Eigenbau ersparen möchten, kaufen Sie eine gebrauchte Reinke, planen ein Budget nebst Zeit zur Überholung ein und kommen so zu vertretbarem Aufwand aufs Wasser.

Mit 1,15 m Tiefgang ist die «Reinke Euro» zum Fahrtensegeln ideal
Mit 1,15 m Tiefgang ist die «Reinke Euro» zum Fahrtensegeln ideal © Peter Reinke

Wer schweißen kann, ist klar im Vorteil

Wenn Sie nun den Kauf einer gebrauchten Reinke in Erwägung ziehen, nehmen Sie einen Metallbauer mit, kriechen in fast jeden Winkel, sehen sich die Schweißnähte und Konservierung an. Je dünner das Blech und desto mehr Löcher der Rumpf und Ankerkasten hat, desto günstiger wird die Baustelle. Je nach Standort und Zustand gibt es da gibt da viel Problem für klitzekleines Geld. Wer schweißen kann, ist klar im Vorteil, hat bald ein preiswertes Schiff.

Bootslebenkunst mit besser bestens im Lack stehendem Stahl

Mit Glück kommen Sie so zum Boot Ihres Lebens. Mit Pech haben Sie eine Baustelle mit hackeviel Arbeit. Nike Steiger, die unerschrockene Seglerin, die in Mittelamerika eine aufgegebene Reinke geschultert und - selbst ist die Frau - gestemmt hat, weiß ein Lied davon zu singen. Mittlerweile ist sie mehr auf dem Wasser als in Baumärkten und ein Leben in paradiesischen Umständen. Reinkes sind Schiffe für Individualisten und Lebenskünstler, die mit der Bootslebenskunst nicht bis zur Rente warten. Jeder Bootkäufer stellt den Schieberegler zwischen Frust und Glück passend zum Kontowasserstand und der freien, bald teils, überwiegend bis vollends dem Boot gewidmeten Zeit hoffentlich passend ein.

Mit etwas Beharrlichkeit haben Sie nach einer Weile ein Schmuckstück wie «Nereïde» in noblem Dunkelblau mit ansehnlich im Owatrol stehender Teakvertäfelung des Steuerstands.

Übersicht zu den 16 verschiedenen Reinke Konstruktionen



Entwurfsjahr - Typ - Stückzahl

1977 - Secura – ca. 64
1978 - Omega – ca. 56
1984 - Astra – ca. 20
1986 - 11M – ca. 10
1986 - S10 – ca. 45
1986 - 12M/S12 – ca. 47 (erste Reinke mit Decksalon)
1987 - Taranga – ca. 117
1987 - Hydra – ca. 55
1987 - S11 – ca. 68
1987 -10M – ca. 102
1988 - Super Secura – ca. 9
1989 - 15M – ca. 28
1991 - Euro – ca. 23
1994 - 13M – ca. 36
1995 - 16M – ca. 10
1996 - 11MS – ca. 12


Insgesamt etwa 702 Boote – ohne «Contra», «Minisuper», andere Vorläufer und die vermutlich große Dunkelziffer nicht lizenzierter Reinke-Bauten.

Weiterführende Links

VG