Yachtkonstrukteure4 min Lesezeit
Carlo Rivas Dampfer
Als Carlo Riva mit «Vespucci» für sich einen großen Pott vom Stapel ließ
Der gemütliche Verdränger «Vespucci», den der berühmte Bootsbauer Carlo Riva Ende der Siebzigerjahre für seine Familie und sich schweißen ließ, ist wieder unterwegs. Der ringsum sehenswerte Dampfer zeigt, was sich aus einem betagten Stahlschiff im korrosiven Mittelmeer-Milieu machen lässt.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 17.03.2020, aktualisiert am 10.03.2023
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Hintergründe zum kaum bekannten 30 m Schlitten von Carlo Riva
- Finessen, wie sie Riva schon auf der Kommandobrücke seiner Werft verwirklicht hatte
- ein Blick auf die beeindruckende Karriere Carlo Rivas
- wie das Boot weitgehend originalgetreu wiederhergestellt wurde
- Carlo Rivas Vorliebe für Himmelblau und Lobsterrot
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1977 blickte der italienische Bootsbauer Carlo Riva auf eine beeindruckende Karriere zurück. Er hatte in eineinhalb Jahrzehnten die väterliche Fünfmann-Butze in einen rund laufenden 300 Mitarbeiter-Betrieb zum Bau der besten Mahagoni-Motorboote verwandelt. Er hatte den qualitativ unsicheren Holzbootsbau am Iseo-See in eine modern getaktete Serienfertigung mit reproduzierbarer Präzision umgebaut. Riva hatte die Entwicklung von Flugzeug- zu Bootsbausperrholz vorangetrieben. Er hatte sich von Finessen wie fehlbedienungssicheren Bohrern über Spezialschrauben über die Verchromung der Beschläge bis hin zum cleveren Celebrity-Marketing um alles gekümmert.
Meine Kunden akzeptieren keine Toilettensitze aus Plastik. Sie setzen sich nur auf Holz
Carlo Riva
Der lombardische Qualitätsfetischist hatte amerikanischen Motoren- und deutschen Instrumentenbauern gezeigt, wie hoch die Latte bei Riva liegt. Das schafft sonst kein Italiener. Vor allem hatte der Selfmademan Ende der Sechzigerjahre angesichts des Siegeszugs von glasfaserverstärktem Kunststoff nicht gejammert, sondern mit dem Verkauf seines Betriebes rechtzeitig den Absprung geschafft. Riva fasste die Sache ein klein wenig blasiert, aber eben auch zutreffend wie folgt zusammen: «Meine Kunden akzeptieren keine Toilettensitze aus Plastik. Sie setzen sich nur auf Holz.»
Dann baute der Tatmensch ungeachtet normal-italienisch lokaler Hürden, bürokratischer und sonstiger Widerstände eine wegweisend moderne Marina. Sie befindet sich in Rapallo und heißt «Porto Carlo Riva». Kann man sich ein schöneres Denkmal setzen?
«Italiener ertragen, hassen die Sonne»
Vittorio
Es fehlte nur noch ein eigener Dampfer. 30 Meter sollte das Schiff für seine vierköpfige Familie messen. Das war damals ein gewaltiger Pott. Der 55-Jährige entwarf einen 145 Tonnen Verdränger mit schrägem Vorsteven, Wulstbug und kühn vor- statt rückwärts geneigten Scheiben auf der Brücke. So eine Kommandozentrale war damals schon Retro. Vor allem aber spendete die Fensterneigung Schatten. «Wir Italiener ertragen, hassen die Sonne», so hat es mir der einheimische Freund Vittorio einmal erklärt. Nur Deppen mit diesbezüglichen Mangelerscheinungen, also Norddeutsche, Holländer, Briten oder Skandinaver beten sie aus offensichtlichen Gründen an. Das hat er natürlich nicht gesagt, sondern mir diese Erkenntnis mit einem verständnisvollen Blick schweigend überlassen. Solche Freunde braucht man.
Mit einer kühn vornüber geneigten Frontscheibe hatte Riva bereits sein Büro über der Werft verglast. Es schwebte wie eine Kommandobrücke über dem Iseo See. Das Stahlschiff mit Aluminiumaufbau lief 1978 bei der CRN Werft in Ancona vom Stapel und wurde 2016 vom vierten Eigner dem Yachtinstandsetzer Monaco Marine zu einer umfassenden Überholung übergeben. 260 Meter vergammelte Stahlrohre und 1,6 km Kabel waren zu ersetzen. Auch das Interieur war liebevoll wiederherzustellen. Nach 20 Tausend Stunden, die während 18 Monaten in «Vespucci» gingen, wurden die beiden Caterpillars wieder angeworfen.
Kapitän Benjamin Calzaroni und seine Crew packten mit an, was die Arbeit ebenso beschleunigte wie der Vorteil, dass alle Gewerke in der Werft verfügbar waren. So ließen sich die üblichen Überraschungen einer Bootssanierung rasch abarbeiten. «Unser Ziel war es, dem Schiff in enger Abstimmung mit dem Eigner-Ehepaar zu seinem ursprünglichen Glanz zu verhelfen» berichtet Werftleiter Kamel Fekhart. «Es war wichtig, den Geist und Stil der Carlo Riva Yacht in all seinen Finessen zu bewahren». Ein Großteil des lackierten Teakinterieurs ist original. Sogar die Lichtschalter mit schwarzen Knebeln, oder die Bullaugen konnten gerettet werden. Einzig der von Riva selbst entworfene Kühlschrank, den ein frevelhafter Mensch entsorgt hatte, war zu ersetzen.
Die betagten Caterpillar D346-TA V8 Dieselmotoren ließen sich mit beharrlicher Suche nach Ersatzteilen, umgebauten Fremdteilen und Sonderanfertigungen erhalten. Zu den wenigen Änderungen gehört die im Bug eingelassene Sitzgelegenheit mit eingelassenen Stauräumen. Auf dem umfächelten Vorschiff sitzt man morgens mit dem ersten Kaffee oder abends schön.
Wie Lia Riva, die Tochter des «Vespucci»-Schöpfers, mit leuchtenden Augen bei einem Rundgang durch das wiederhergestellte Schiffe entdeckte, hängen sogar die himmelblauen und Lobster-roten Vorhänge in der Lieblingskombination ihres Vaters an Bord.
Die Wiederherstellung eines vierzig Jahre alten Stahlschiffs im korrosiven Milieu des Mittelmeeres kann ein Fass ohne Boden sein. Die sehenswerte «Vespucci» ist ein Beispiel dafür, dass es sich lohnt, Geld in ein beharrlich gepflegtes Objekt mit Herkunft zu stecken. Man kann Carlo Rivas Dampfer mit seinen vier Gästekabinen über die Agentur Northrop & Johnson chartern und mit den beiden V8 Caterpillars bei zehn Knoten Reisetempo zurück in die Siebziger dieseln.
Die Geschichte der großen Rivas
Während Riva durch seine klassischen Mahagoni-Gleiter bekannt wurde, dachte er bereits Ende der Fünfzigerjahre über größere Modelle nach, die er zunächst gemeinsam mit den holländischen Konstrukteuren De Voogt entwarf und in den Sechzigerjahren in kleinen Stückzahlen bei Feadship De Vries als 22 ½ m «Caravelle», knapp 27 m messende «Admiral» und 35 m «Viking» entstanden. Für sein eigenes Schiff entschied er sich dann für einen italienischen Werftpartner.