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Runabouts: Von Herumtreibern und Stromern

Kleine Fluchten in einem legendären Bootstyp.

Runabouts: Von Herumtreibern und Stromern
Carlo Riva starb im April 2017 im Alter von 95 Jahren © Riva Yacht

In Erinnerung an den legendären, kürzlich verstorbenen Carlo Riva: Was sind eigentlich «Runabouts»? Und wer hat’s erfunden?

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 13.07.2017, aktualisiert am 28.03.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Die Geschichte der Runabouts.
  • Warum die Boote so heißen.
  • Wer hat’s erfunden?
  • Wer ließ sich von wem inspirieren? Hat Riva bei den Amis abgeguckt?

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Neulich auf dem Steg einer Trattoria an einem norditalienischen See. Ein paar Segel- und Motorboote haben festgemacht, Skipper und Crew sitzen auf der Terrasse und genießen Pasta und Vino. Ein amerikanischer Tourist und ein Italiener stehen rauchend nebeneinander vor ihren Booten und unterhalten sich.

Da kommt mit einem tiefen Brummen eine dieser unbeschreiblichen Riva-Augenweiden angedonnert, dreht kurz vor dem Steg eine Ehrenrunde, dass die Wellen nur so gegen den Strand klatschen und legt dann mit einem perfekten Schlenker direkt vor den glotzenden Rauchern an. Lässig galant hilft zwei Festmacherknoten später ein schicker Jüngling einer höchst charmanten, umwerfenden Dame aus dem Boot und beide stolzieren locker gen Restaurant.

Der Italiener und der Amerikaner stehen, wie versteinert, glotzen auf die Schönheit. Gemeint ist allerdings das Boot. Der Amerikaner ruft plötzlich aus: «Wow, what a Runabout. Was für ein kleiner Flitzer. Typisch Amerika!» Der Italiener runzelt die Stirn: «Scusi signore, aber das ist eine Riva, und italienischer geht’s gar nimmermehr!» Na, wer hat recht?

Beide, natürlich. Selbstredend darf der Italiener sein höchstes wassersportliches Kulturgut entrüstet verteidigen, denn die Boote aus dem Hause Riva (das übrigens längst an ausländische Konsortien verkauft wurde) gehören nun mal seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten zu Italien wie Pasta und Ferrari. Doch das gilt nur für die Marke als solche. Denn die Klasse der «Runabouts» haben tatsächlich nicht minder talentierte, amerikanische Bootsbauer ins Leben gerufen. Doch schön der Reihe nach…

Brigitte Bardot auf ihrem Riva-Runabout
Brigitte Bardot auf ihrem Riva-Runabout © Riva Yacht

Glückliche Girls auf der Rückbank

Die ersten Runabouts tauchten in Amerika in größeren Stückzahlen während der wilden Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts auf. Die meist ausgesprochen formschönen Vollholzboote dienten zunächst nur dem einen Zweck: Der Huldigung des Außenborders (siehe: Evinrude: Liebe, Eiscreme und die Kaffeemühle)! Derselbe wurde zwar schon 1909 erfunden, brachte aber erst zu diesen Zeiten einigermaßen Schmackes in den Vortrieb. Die Speed-verliebten Amerikaner bauten also ein Boot an den Außenborder – meistens einen
Evinrude Außenborder. Dabei nutzten sie bereits Formen und Designs, die das Prinzip des Gleiters gut umsetzten.

Die Szene war von Beginn an innovativ, ohne dabei allzu abgehoben zu wirken. Gelder waren zwar meist vorhanden, doch man sah sich auf den ersten Runabouts eher als Vorreiter einer neuen Wasser-Sport-Spiel-Spaß-Kultur, die es in sich haben sollte (und bald auch hatte).

Vier bis fünf Personen konnten die Boote bequem mitführen, unvergesslich Dutzende Werbemotive, bei denen ein vornehmlich dümmlich vor sich hin grinsender Jüngling mit wehender Tolle zwei bis drei weibliche Schönheiten auf der Rückbank seines «Runabout» spazieren raste.

Entsprechend gestaltete sich dann auch die Namensgebung: «Runabout» heißt übersetzt aus dem amerikanischen Englisch auch «Rumtreiber, Streuner». Es wird aber auch vermutet, dass die Namensgebung weitaus simpler (und einfallsloser) von offenen, leichten Pferdekutschen übernommen wurden, die ebenfalls so hießen.

Die ersten Runabout-Exemplare hatten noch eine Pinnensteuerung, doch bald schon saßen die BootsführerInnen in der ersten Reihe des Cockpits hinter einem Holzlenkrad. Ledersitze, Lenkrad und sogar eine schnittige Wind- und Spritzschutzscheibe (ab 1930) – alles erinnerte an DAS Statussymbol der damaligen Zeit: das Automobil. Nur eben mit dem Unterschied, dass nicht der Asphalt unter einem weg raste, sondern die Wasseroberfläche. Und das Speed-Gefühl auf dem mal welligen, mal glatten Wasser viel spannender sein konnte, als auf den oft suboptimalen Straßen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aber das ist eine andere Geschichte.

Riva-Runabout-Studie
Riva-Runabout-Studie © Riva Yacht

Hacker – genial schnell

Der wohl bekannteste (amerikanische) Runabout-Pionier war John L. Hacker, der seine Werft bereits 1908 gründete. Hacker machte sich zunächst einen Namen mit irrwitzig anmutenden, letztlich aber genialen technischen Neuerungen. So war er der Erste, der einem Flugzeug der Wright-Brüder Schwimmrümpfe verpasste, damit es auf dem Wasser landen und starten konnte.

1911 war das und im selben Jahr baute Hacker einen Flugzeugmotor in ein Holz-Motorboot, das er Kitty Hawk II getauft hatte. (In Kitty Hawk machten die von Hacker verehrten Wright-Brüder ihre ersten Flugversuche). Mit diesem «Hydroplane» stellte Hacker den damals sagenhaften Weltrekord über 80 km/h auf – eine Marke, die jahrelang von keinem anderen Boot erreicht werden sollte. Kitty Hawk II sank ein Jahr später, nachdem es bei einem weiteren Rekordversuch Feuer gefangen hatte.

Hacker Kitty Hawk 1911
Hacker Kitty Hawk 1911 © Hacker Craft

In den Zwanziger- und Dreißigerjahren wurde der Name Hacker schließlich zum (amerikanischen) Synonym für Runabout-Design. Dem genialen Tüftler und Haudruff-Motorbootsportler hat die Motorbootszene viele Designs und bahnbrechende Formen zu verdanken – allem voran die V-Bottom-Rumpfform.

Ein schieres Kraftpaket leistete sich 1930 der König von Siam, der einen 12-Meter-Hacker-Runabout mit sagenhaften 600 kW orderte. Eine für damalige Zeiten unvorstellbare Power unter der Motorhaube. Bis heute werden unter dem Namen Hacker-Craft, nach mehreren Besitzerwechseln und als angeblich älteste existierende Motorbootswerft der Welt, faszinierende Holzboote gebaut bzw. gekonnt restauriert. Wohlgemerkt: Holz-Runabouts. Denn die glänzenden, meist klar lackierten Schönheiten aus edlen Hölzern, wie Mahagoni galten seit jeher und bis heute als Nonplusultra in der Runaboutszene.

Hacker Runabout
Hacker Runabout © Dan Gilman

Riva – Klassiker für die Reichen und Schönen

Das hatte sich wohl auch Carlo Riva gedacht. Als der geniale italienische Bootsbauer in den Fünfziger-Jahren in der dritten Generation die Geschicke des bereits überaus erfolgreichen Familien-Werftbetriebs am Iseo-See übernommen hatte, verliebte er sich regelrecht in die Formen des amerikanischen Runabout-Designs. Seine Riva Runabouts, die allerdings nur selten auch Runabouts genannt wurden, avancierten zum Inbegriff des mondänen, lässigen und flotten Statussymbols auf dem Wasser.

Riva Motorboote im Runabouts-Stil werden auch heute noch gerne die «Sophia Loren unter den Motorbooten» genannt – wenn sich auch neben der «Königin» der damaligen Haute Volée viele andere Stars wie etwa Brigitte Bardot, Alain Delon, Peter Sellers, Jean-Paul Belmondo, Sean Connery mit und auf einem Riva-Runabout vergnügten. Lesen Sie hierzu auch Erdmann Braschos Text «Rivamania».

Sophia Loren auf ihrem Riva Runabout
Sophia Loren auf ihrem Riva Runabout © Riva Yacht

Runabouts wurden im Laufe der Jahrzehnte nicht nur in Holz und keineswegs nur mit Außenbordern gebaut. Die meist offenen oder höchstens mit einem Stoffverdeck versehenen Boote gibt es mittlerweile mit Innenborder-, Außenborder- und sogar mit Jet-Antrieb. Sie werden in nahezu allen namhaften Werften meistens aus GFK und Aluminium, mitunter sogar aus Karbon hergestellt.

Der aufwändige Holzbootbau geriet dabei immer mehr in Vergessenheit – nur sehr wenige Werften sind heute überhaupt noch in der Lage, aufwändigen, «echten» Runabout-Bootsbau zu realisieren.

Was wiederum der Grund ist, warum die Holzvarianten gebrauchter Runabouts – ganz egal ob amerikanischen oder italienischen Ursprungs – heute so gefragt sind wie nie zuvor.

Riva-Runabouts – eine Klasse für sich
Riva-Runabouts – eine Klasse für sich © Riva Yacht

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