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Klassiker12 min Lesezeit

Zwölfer Rhona

Eine Bootsrestaurierung der Fitzcarraldo-Kategorie

Zwölfer Rhona
Die Baustelle 2019 am Costa Brava Stellplatz mit Resten der Glasfaserbeschichtung © Rhonasailing

Wie der Schweizer Dan Meury seit Jahren einen verbastelten und fertigen Klassiker unter freiem Himmel an der Costa Brava restauriert.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 12.10.2024

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Einblicke in die Wiederherstellung eines klassischen Zwölfers von 1927
  • die Segler- und Handwerkergeschichte von Dan Meury
  • wie man vom Windsurfer auf dem Murtensee auf tolle Yachten kommt
  • wie Meury diese «Mission Impossible» bislang gepackt hat
  • warum man ein Schiff "gießen" muss
  • wieviele Arbeitsstunden üblicherweise in so ein Projekt gehen
  • Infos zur legendären schottischen Bootsbauerfamilie William Fife & Son
  • Wissenswertes zum speziellen Fife-Drachen und Schweif
  • Hinweise auf Archive, Bücher, Websites

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Jeder, der sich für Boote und Handwerk interessiert, kennt die vielbeachtete Instandsetzung des Gaffelkutters «Tally Ho» vom englischen Bootsbauer Leo Sampson Goolden. Boat24 berichtete bereits Anfang 2018 darüber. Goolden hat seine Arbeit mit sehenswerten YouTube-Videos weltweit bekannt gemacht. Unbekannt ist die Geschichte des Schweizer Seglers Dan Meury und seines Zwölfers «Rhona».

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«Golum» ex «Rhona» als schwimmendes Hafeninventar in Puerto de L'Escala
«Golum» ex «Rhona» als schwimmendes Hafeninventar in Puerto de L'Escala © Rhonasailing

2018 übernimmt Meury im sonnigen Süden einen zur Fahrtenyacht umgebauten Klassiker, dessen Linien bei genauem Hinsehen eine 12 mR-Yacht erkennen lassen. Dieses Paradepferd der Regattabahnen kam in den Zwanzigerjahren aus einem guten Stall, der schottischen Fife Werft. Mehr dazu am Ende des Artikels.

Bereits am alten Liegeplatz entrümpelt Meury das Schiff
Bereits am alten Liegeplatz entrümpelt Meury das Schiff © Rhonasailing

Es braucht sehr viel Geld, um so etwas zu retten. Oder bodenlosen Optimismus, Geschick und Fleiß. Keiner, außer ein Millionär mit guten Kontakten zu einer erfahrenen Werft schultert solch einen Kandidaten für die Kettensäge. Keiner, außer Meury. Denn so wie das Boot auf den mittelmeerüblich an die Bordwand angelehnten Pfosten dasteht, ist es mehr ein Problem als ein Schiff. Die größte Überraschung nach dem Auswassern war, dass es wenig dank der Planken, eher infolge der Polyesterbeschichtung geschwommen hatte.

Das Gebälk nach dem Auswassern im spanischen Puerto de L'Escala
Das Gebälk nach dem Auswassern im spanischen Puerto de L'Escala © Rhonasailing

Meury wusste, „dass man solch ein Unterfangen zunächst nicht an die große Glocke hängt und nur guten Freunden erzählt, um sich nicht herunterdrücken zu lassen“. Er sägte den modernen Kajütaufbau entlang der Deckskante ab, entrümpelte das Schiff und trug einen Haufen Bretter an Land.

Als die Einheimischen erfuhren, dass jemand das Problem gekauft hatte und es auch noch vor Ort herrichten wollte, waren sie sauer. Denn sie wollen es einfach nur aus den Augen, aus dem Hafen haben. Sie rieten Meury, das Blei zu verkaufen und den Rest zu verschrotten. Meury aber guckte mit dem Röntgenblick eines Visionärs, Handwerkers und wohl auch Träumers durch den beklagenswerten Zustand hindurch auf das, was er aus dem Schrott machen wird.

Mit diesem Kleinlaster pendelt Meury jeden Monat zur Baustelle
Mit diesem Kleinlaster pendelt Meury jeden Monat zur Baustelle © Rhonasailing

"Boot“ oder Problem?

So arbeitete Meury das erste Jahr notgedrungen noch im Wasser. Das Schiff hatte schon mal lange vor Ort an Land gestanden und es hatte sich nichts getan. „Da ich in diesem Zustand mit dem Boot aber nirgends hin konnte“ überredete er den Stellplatzvermieter, es doch von Ort restaurieren zu dürfen.

Die Gfk-Beschichtung wird Bahn für Bahn mit einem Hobel abgenommen
Die Gfk-Beschichtung wird Bahn für Bahn mit einem Hobel abgenommen © Rhonasailing

Er sah «Rhona» aus dem Schwarz-Weiß der Zwanziger- und Dreißigerjahre in die azurblaue Gegenwart des Mittelmeeres segeln. Ohne all diese Fahrtenseglerextras wie Kajütaufbau, Baumstütze, Steuersäule, Süllrand, Bug- und Heckkorb. Aufgeräumt mit der hinreißenden Eleganz eines klassischen Zwölfers. Es ist diese seltene Finesse, die Seglern die Sicherungen herausdreht und dazu verleitet, das Segelfestspiel wie gehabt aufzuführen. Meury ist im Lauf seines Seglerlebens mit Surfbrett, Katamaranen, offenen Kielbooten, Hochseerennern und Tourenyachten beim Wahren, Schönen und Guten angekommen. Für einen klassischen Zwölfer kann man sich schon mal einige Jahre lang machen. Der Knall dazu muss nur groß genug sein.

Die freigelegten Planken offenbaren die Probleme und die herrliche Form
Die freigelegten Planken offenbaren die Probleme und die herrliche Form © Rhonasailing

Meury stellte das rotte Gebälk ins Bootslager von Puerto de L'Escala, wo die übliche Flotte von Deckssalonseglern, Katamaranen und Motorpötten für Bootsurlauber bereitstehen, die für einige Wochen zum Buchtenbummeln, Chillen und Paella Essen an die Costa Brava kommen.

Morsches Holz wird Planke für Planke durch neues Mahagoni ersetzt
Morsches Holz wird Planke für Planke durch neues Mahagoni ersetzt © Rhonasailing

Nun ist Meury kein Millionär, der über dem Wrack ein temporäres Zelt errichten und eine sechs- bis zehnköpfige Crew versierter Handwerker machen lässt und einige hunderttausend Euro versenkt. In die umfassende Instandsetzung eines vergammelten Zwölfers wie beispielsweise «Sphinx», die 2007 für eine Flensburger Eignergemeinschaft vom Kielbalken aufwärts saniert wurde, gingen 20 bis 24.000 Stunden. Sie wurden im Lauf von zwei Jahren von durchschnittlich sechs Handwerkern erbracht.

Meury beim Abtrennen des verrosteten Kielschweins und der Mastspur
Meury beim Abtrennen des verrosteten Kielschweins und der Mastspur © Rhonasailing

Als gelernter Schreiner, Mechaniker, Grafiker und Multimedia-Designer ist er vielseitig. Er lebt in Jegensdorf nordöstlich von Bern, wo er drei Wochen des Monats tagsüber handwerklich und abends/am Wochenende als Grafiker/Designer arbeitet. Zur verbleibenden Woche fährt er jeden Monat neun zügig absolvierte Autostunden entfernt zur Bootsbaustelle, um hinter der sonnen durchglühten Betonmole von Puerto de L'Escala auf der Stellage weiterzumachen. Ich weiß nicht wann der Mann sich mal erholt, Ruhe findet, Zeit für seine Familie findet. Andererseits gibt es wohl kein größeres Glück als für ein selbst gestecktes Ziel, eine sinnvolle Arbeit in die Hände zu spucken.

Schablonen für die neuen Bodenwrangen
Schablonen für die neuen Bodenwrangen © Rhonasailing

Dort setzt er den Kuhfuß an, hebelt morsche Bretter vom Gerippe der Spanten, ersetzt so viel Holz durch neue Mahagoniplanken, wie nötig ist. Es ist sehr anspruchsvoll, mit chirurgischer Umsicht das Rückgrat des Schiffes aus dem aufgepallten Schiff zu ziehen und für das nächste Jahrhundert durch neue Vorsteven, Kiel- und Heckbalken zu ersetzen.

Vergleichsweise einfach war es, das Stevenknie am hinteren Ende des Kiels unmittelbar vor dem Ruderblatt zu erneuern. Andere, eher dem Millionärslifestyle verpflichtete Werften machen das anders. Sie erklären das Boot zum Totalschaden, behalten das Blei und bauen den Rumpf komplett zum vorhandenen Kiel neu. Das klappt, weil mit dem originalen Blei das Namensführungsrecht verbunden ist. Für mich als jahrzehntelangen Klassiker-Liebhaber ist das leider ein durchschaubarer, fadenscheiniger Trick.

Auf dem bereits erneuerten Kielbalken sitzende Edelstahl-Bodenwrangen versteifen die Spanten
Auf dem bereits erneuerten Kielbalken sitzende Edelstahl-Bodenwrangen versteifen die Spanten © Rhonasailing

Die oben umlaufende Schanz des Hecks, Skylights und den apart geduckten Niedergang tischlerte Meury ebenfalls unter Originalitätsgesichtspunkten in seiner Schweizer Werkstatt. Regattaboote der Zwanziger hatten niedrige Mahagoniaufbauten.

Wie bei großen Klassikern üblich entstand «Rhona» in einer Mischbauweise aus Holz- und Stahlspanten
Wie bei großen Klassikern üblich entstand «Rhona» in einer Mischbauweise aus Holz- und Stahlspanten © Rhonasailing

Abgesehen von der damals unbekannten Einbaumaschine, den zwischendurch mal eingebauten Volvo Penta überholte er natürlich, ist die angehobene umlaufende Schanz das einzig sichtbare Zugeständnis an die Tourentauglichkeit des Bootes. Sie macht die Nutzung der flachbordig schweren und entsprechend nass segelnden Yacht in der offenen See eine Idee komfortabler und auch sicherer. «Rhona» soll ab der Saison 2025 mit zahlenden Gästen segeln. Das wird eine interessante Gelegenheit, mal an Bord eines solch noblen Schiffes zu kommen.

Das rotte Stevenknie am hinteren Ende des Kiels von Anno 1927
Das rotte Stevenknie am hinteren Ende des Kiels von Anno 1927 © Rhonasailing

Um zu verstehen, warum Meury sich das alles gibt, hilft ein Blick in sein Seglerleben. Es beginnt damit, dass seine Eltern Mitte der Siebzigerjahre einen Wohnwagen am Murtensee hatten. Bei diesem See handelt es sich um ein überschaubares Gewässer der Westschweiz. 8 km lang, etwa 3 km breit und 430 m über dem Meer gelegen. Größe und Lage des Gewässers spielten keine Rolle. Meury war damals zehn Jahre alt und in diesem Alter ist ein See ein Meer.

Das neue Stevenknie
Das neue Stevenknie © Rhonasailing

Damals gelangten die ersten Surfbretter zum Murtensee, wo Meury nach sehnsuchtsvollen Blicken aufs Wasser der entscheidende Schritt auf solch ein kippeliges Board gelang, er zum Gabelbaum griff und ihn lange nicht mehr losließ. Surfen oder Jollensegeln ist bekanntlich der gefährlichste Einstieg ins Segeln, weil das Surfbrett ähnlich wie die Jolle einen elementaren Zugang zur Reibfläche von Wind und Wellen bietet. So etwas prägt.

Die halbrund verleimte neue Heckpartie in der Schweizer Werkstatt
Die halbrund verleimte neue Heckpartie in der Schweizer Werkstatt © Rhonasailing

Es gibt da zwei Möglichkeiten: Entweder den raschen kalten Entzug zugunsten der Landlebenskarriere und weiteren Sachzwängen wie Familiengründung oder der weitverbreiteten Vernunft. Die Geschichte würde hier enden, hätte Meury dem Seglerglück nicht nachgegeben. Dummerweise las er damals auch noch das Buch von Bernard Moitessier über seine 1 1/2-fache Weltumseglung, einschließlich des Hochseesegler- und Freiheitsmantra. Es ist eine weichenstellende, aus der normalen Landlebenslaufbahn in die endlose Weite des Meeres führende Lektüre. Gefährlich oder beglückend, je nachdem, von welcher Perspektive aus man es betrachtet.

Die fertig eingebaute Heckpartie
Die fertig eingebaute Heckpartie © Rhonasailing

Bald ersetzte er den Windsurfer durch verschiedene Katamarane (Hobie Cat, Dart, Tornado), bevor er sich dem einrümpfigen Segeln mit agilen Vierteltonnern, dem Dreimannkielboot Trias und 18 Fuss Skiffs zuwandte. Dann setzte er seine Seglerkarriere an Bord eines modernen Zwölfers, dem ehemaligen America‘s Cuppers «France 3» und mit den einstigen Whitbread Rennern «Union Bank of Finland» und «La Poste» fort.

Die oberen Plankengänge sind verrottet
Die oberen Plankengänge sind verrottet © Rhonasailing

Vorübergehend regelte Meury die Pflicht des Geldverdienens mit Sportartikelgeschäften in Bern. Das war soweit okay für ihn, aber eben leider im allertiefsten Binnenland und womöglich zu sehr kalibriert. Meury wandte sich wieder dem Meer zu, machte mit Freunden in der Türkei eine heruntergekommene Gület für den Charterbetrieb in eigener Regie zurecht. Aus der geplanten 14-tägigen Instandsetzung wurden drei Wochen, nicht Monate oder Jahre. Meury ist ein pragmatischer Durchzieher.

Der geschäftete Vorsteven wird vor das Schiff gehoben
Der geschäftete Vorsteven wird vor das Schiff gehoben © Rhonasailing

Abenteuerlicher als die Instandsetzung war die Überführung zum südfranzösischen Toulon, wo Meury dann allein ankam, weil unterwegs fast alles kaputtging, was kaputtgehen kann und seine Mitstreiter nach und nach unterwegs abmusterten. Eine Überführung mit Zeitdruck, Stürmen und einer endlosen Folge technischer Probleme trennt die Spreu vom Weizen. Nicht jeder absolviert seinen Kurs durchs Leben mit Meurys Peilung und Durchhaltevermögen.

Die künftige Position des aufgemöbelten Niedergangs
Die künftige Position des aufgemöbelten Niedergangs © Rhonasailing

Nach der 2004 bis 9 dauernden Gulet-Episode mit zahlreichen Törns an der Côte d’Azur war es Zeit für etwas Neues. Auch wenn ein Gület yachtbaulich nicht die Finesse einer William Fife Yacht erreicht, und leider segelt wie ein Hausschuh, war sie mehr als Lehrgeld, nämlich als traditionell geplanktes Holzschiff eine Art Gesellenstück und Voraussetzung für «Rhona».

Das Projekt ist weit gediehen. Der Mast liegt von der gnadenlosen südlichen Sonne geschützt neben dem Schiff. Meury hofft, den Rumpf bis Ende 2024 komplett beplankt zu haben und 25 ins Wasser zu gehen. Das erscheint angesichts des zeitfressenden Thema Innenausbau optimistisch. Andererseits kann er ihn ja auch im schwimmenden Schiff machen. So wären «Rhona» und er dem Element deutlich näher.

Meury muss „nur“ noch die daheim getischlerten Luken und Hutzen für die Niedergänge, die Plicht und das Interieur montieren. Und wenn Meury bei der Plackerei unter der gnadenlos südlichen Sonne mal die Schnauze voll hat, guckt sich einfach das schwarz-weiße Foto des maritimen Haus- und Hoffotografen Beken of Cowes auf seinem Kleinlaster an.

Die Frage, wie er es schafft, über Jahre unter freiem Himmel in der prallen Sonnen zu arbeiteten, beantwortet Meury so: „Das Wetter in Escala ist ganz gut. Im Winter kann es schon mal um die null Grad werden. Vor allem, wenn der Tramuntana weht, wird es bissig kalt. Es regnet meistens an der Costa Brava nur wenige Stunden und da «Rhona» nur 50 m vom Meer entfernt steht, haben wir es außer in den heißesten Sommermonaten nicht allzu trocken. Bei Ostwind wird «Rhona» regelmäßig mit Salzwasser besprüht und in den Sommermonaten begießen wir sie sporadisch. Das Gute an der langen Restaurationszeit und den Temperaturschwankungen ist, dass sich innert ein paar Monaten schlechtes Holz oder falsche Verleimungen gnadenlos zeigen.“

Meury berichtet, dass er sich „an die Hitze im Sommer gewöhnt hat. Als wir beispielsweise das Teakdeck reparierten, haben wir Sonnenplanen gespannt. Dieses Jahr arbeiten wir noch unter dem Schiff. Das ist schon etwas angenehmer. Die Arbeit an Bord ist viel anstrengender als an einem Haus oder in einer Werkstatt. Das ewige Auf und Ab, dann wieder in den Bauch des Bootes, ins Heck und dann wieder raus, weil man was vergessen hat. Dann Balken rein, anpassen, raus und schneiden und das Ganze von vorn.“

Das aufgearbeitete Teakdeck mit abgedeckten Aussparungen für Niedergänge, Skylights und Plicht. Umlaufend die vom UV-Licht geschützte Schanz
Das aufgearbeitete Teakdeck mit abgedeckten Aussparungen für Niedergänge, Skylights und Plicht. Umlaufend die vom UV-Licht geschützte Schanz © Rhonasailing

2025, annähernd hundert Jahre seit ihrem ersten Stapellauf am Strand vor Fairlie, soll der zweite erfolgen - wie in modernen Marinas üblich, mit den Gurten des örtlichen Travellifts. Dann wird sich der sympathisch bescheidene Meury nicht allein den Respekt der Einheimischen erarbeitet haben. Und die Yachtwelt kann sich über die Instandsetzung eines der letzten zu überholenden Fife-Zwölfers freuen.

Dan Meury beim Verdübeln der Planken
Dan Meury beim Verdübeln der Planken © Rhonasailing

Die William Fife & Son Yachtbuilders

1807 bis 1938 entstanden rund achthundert Yachten in der Ortschaft Fairlie am schottischen Firth of Clyde im Familienbetrieb dreier Generationen: Von William Fyfe (1885–1865), seinem Sohn (1821–1902), der seinen Nachnamen in Fife änderte und schließlich dem dritten William Fife (1857–1944). Gemeinsam mit ihren Handwerkern machten sie den schottischen Yachtbau weltweit zum Begriff.

William Fifes Bruder Allan (rechts) mit einem Kollegen am Strand von Fairlie bei Ebbe
William Fifes Bruder Allan (rechts) mit einem Kollegen am Strand von Fairlie bei Ebbe © Archives of William Fife & Son/Scottish Yacht Archive

William Fife II prüfte Spaltmaße im Interieur mit einer Münze und ließ ggf. neu bauen. Bei den Rümpfen war er sich der Qualität so sicher, dass er seinen Kunden eine trockene Bilge zusagte. Aus der grobschlächtigen Bauweise mit reichlich Kalfat waren fugenlos sitzende Plankengänge mit eingelegten Baumwollfäden mittig in der millimetergenauen Falz geworden. So wurde Clyde-Built auch im Yachtbau zum Begriff.

In Fairlie begann der sonntägliche Gottesdienst, nachdem die Einheimischen einen neuen Fife Werftbau besichtigt hatten. Und weil sich hier auch sonst alles um Yachtbau drehte, ziert bis heute die Silhouette der berühmten Fife-Yawl «Latifa» als Wetterfahne den Kirchturm der Ortschaft. Die Schiffe wurden bei Niedrigwasser über den flachen Strand im Westen Glasgows geschoben und abgewartet, bis die Flut das Erzeugnis anhob. So gelangten der 160 Tonnen verdrängende Big Class Schoner «Altaïr», große Schlitten wie «Sumurun» oder «Moonbeam IV», 23-mR-Yachten wie «Shamrock“ und «Cambria», 19er, 15er, Zwölfer, Achter und mancher edle Sechser in Wasser.

Der Strand von Fairlie und die Fife Werft bei Flut
Der Strand von Fairlie und die Fife Werft bei Flut © Archives of William Fife & Son/Scottish Yacht Archive

Der Firth of Clye war damals als Naherholungsgebiet der prosperierenden Industrie- und Hafenstadt Glasgow die Wiege des Segelsports. Hier wurden America’s Cup Herausforderungen mit Fife-Booten vorbereitet. Der Lebensmittelhändler Sir Thomas Lipton nutzte damals die Regattabojen auf dem Firth of Clyde als Werbefläche. Der dritte Fife zeichnete mehr als 600 Boote, darunter zwei America’s Cupper, vier 23-mR-Yachten, zwei 19er, acht 15er, 17 Zwölfer, mehr als vierzig Achter und über fünfzig Sechser. Hinzu kommen die Fahrtenboote. Dank ihrer Qualität und Wertschätzung existiert etwa ein Drittel der Fife-Yachten noch. 1938 entstand mit dem Zwölfer «Flica II» (Baunummer 829) das letzte Erzeugnis der Werft, die 1939 den Betrieb einstellte.

Der prominenteste Fife-Fan war der französische Segelprofi Eric Tabarly, der die väterliche «Pen Duick» als junger Mann mit Bordmitteln zurechtmachte und jahrzehntelang segelte. Ausgerechnet im Jahr des hundertsten Geburtstages seines Gaffelkutters ertrank der Bretone bei der Überführung zur ersten Fife-Regatta in der Irischen See.

Bugverzierung einer Fife Yacht mit dem stilisierten Drachenkopf
Bugverzierung einer Fife Yacht mit dem stilisierten Drachenkopf © Archives of William Fife & Son/Scottish Yacht Archive

Der Fife-Drachen

Fife-Yachten sind anhand ihrer Bug- und Heckverzierung am vorderen und hinteren Ende der Ziergöhl, einem stilisierten Drachen und Schweif zu erkennen. Vermutlich sollte der Drachenkopf an den Bugschmuck der Wikinger-Schiffe erinnern, oder an die Schlacht von Largs gleich nördlich von Fairlie, wo der schottische Herrscher Alexander III. König Haakon von Norwegen und seine Krieger vertrieb.

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Ein Graf, ein Margarinefabrikant, Künstler und Genießer als Eigner

  • 1927 – 1929 erster Eigner J. Lauriston Lewis, Bootsname «Rhona», Heimathafen Greenock
  • 1930 – 1932 zweiter Eigner Earl of Essex, Heimathafen Greenwich.
  • 1933 – 1958 dritter Eigner Margarineproduzent Arnfinn Heje, Bootsname «Hei II», Heimathafen Oslo.
  • 1961 – 1969 vierter Eigner Jan Arthur Iversen, Bootsname: «Frisco VI», Heimathafen Sarpsborg/Norwegen. Das Boot erhält eine Maschine, einen Kajütaufbau und Besan.
  • 1969 – 1970 fünfter Eigner Künstler Urban Strom, der das Boot außerhalb von Göteborg als Atelier nutzen möchte.
  • 1971 – 1974 sechster Eigner Stig Westberg und Freunde. Bootsname «Hei II». Überholung bei der Broderna Jacobsson Werft mit neuer Stahlverstärkung des Mastfußes, neuer Maschine und neuen Segeln.
  • 1974 siebte Eigner: Anders Hemberg, Curt und Lars Hässler in Stockholm, Bootsname: «Golum».Das Boot wird von der angesehenen Plymwerft überholt und zum Chartersegeln hergerichtet.
  • Ab den Achtzigerjahren gehört das Boot dem achten Eigner, dem spanischen Immobilienmakler Joaquim Trill Gil. Er segelt «Golum» von Schweden zur Costa Brava, wo es infolge eines Missgeschicks sinkt. Es gelingt ihm aus Altersgründen nicht, das Boot in Ordnung zu bringen. 2013 bietet er es zu teuer zum Verkauf an. «Golum» vergammelt.
  • 2018 übernimmt Meury als neunter Eigner das verwahrloste Schiff in Puerto de L’Escala. Er nennt es wieder «Rhona».

Dan Meury
Dan Meury © Rhonasailing



Bootsdaten
Entwurf: William Fife II
Werft, Baunummer: William Fife & Son, 748
Vermessung: Internationale Meterklasse, 2nd Rule
Stapellauf: Fairlie, Firth of Clyde/Schottland, Mai 1927
Länge über Alles: 20,50 m
Länge über Deck: 19,86 m
Länge Wasserlinie (original): 12,95 m
Breite: 3,76 m
Tiefgang original: 2,60 m
Segelfläche: 190 qm
Verdrängung aktuell: 25 t


Bücher

  • May Fife McCallum: Fast and Bonnie. A History of William Fife and Son Yachtbuilders. Lohn Donald Publishers, Edinburgh 1998 u. 2002, 200 Seiten, 14,99 £ (antiquarisch)
  • Nautical Quarterly 27/1984, Lohn Leather: The Fifes of Fairlie (vergriffen, antiquarisch)
  • Franco Pace: William Fife. Die Kunst des Yachtbaus, Delius Klasing Bielefeld: 1998 (vergriffen, antiquarisch). Sehenswertes Bilderbuch mit leider schlechten, teils falschen Texten.
  • Daniel Charles (Hrsg.): Tuiga 1909, 164 Seiten, Yachting Heritage, London 2005, 145 €


Archive, Museum, Werft

  • Das William Fife Archiv im Scottish Maritime Museum in Irvine bei Glasgow hat Zeichnungen, Halbmodelle und die sehenswerte Stahlspanten-Biegemaschine der Werft.
  • Die Website des Hamburger Zwölferseglers Wilfried Beeck bietet neben substanziellen Informationen eine Übersicht aller je gebauten Zwölfer, letztere bedauerlicherweise teils veraltet.
  • Die vom Schweizer Ferrari-Sammler und Hausrestaurator Albert Obrist nach der viel beachteten Renovierung des Fife Fahrtenschoners Altair am südenglischen Hamble betriebene Werft Fairlie Restorations setzte 1990 bis 2016 viele Fife Yachten mustergültig instand.
VG