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Das 1 $ Boot

Wie Bootsbauer Leo Sampson Goolden die berühmte „Tally Ho“ rettet

Das 1 $ Boot
Die Baustelle "Tally Ho" an ihrem langjährigen Stellplatz © Leo Sampson Goolden

Wenn etwas sensationell günstig ist, hat die Sache einen Haken. Bei einer Baustelle beispielsweise, die für einen Dollar zu bekommen ist, handelt es sich eher um ein Problem als ein Boot.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 19.02.2018

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • die Geschichte des Fastnet-Siegers von 1927
  • die beeindruckende Geschichte des Bootsbauers Leo Goldwin Sampson
  • Einblicke in die Plackerei traditionellen Holzbootsbaues
  • wie man im Folkeboot von England zur Karibik segelt

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Das Problem heißt «Tally Ho»und besteht aus etwa 15 Tonnen Blei, Eiche, Teak, Ulme, etwas Beton und vergammelten Beschlägen. Es steht schon länger herum und muss weg, weil der Stellplatz im US-Bundesstaat Oregon anderweitig gebraucht wird. Das Kettensägen-Schicksal droht.

Der Aufwand zur Instandsetzung und Erhalt eines Holzbootes wird unterschätzt. Deshalb rate ich beim Fachsimpeln mit Gästen und Segelfreunden an Bord meiner Swede 55 und auch hier im Boat24-Blog vom Kauf eines Holzbootes ab. Die Folgekosten, bestehend aus endlosen Arbeit, Geld und Zeit sind hoch. Wer ein normal in Pflicht und Kür getaktetes, ein in Arbeit und Freizeit kalibriertes Leben führt, sollte das nicht machen.

Mit diesem Folkeboot segelte Sampson über den Atlantik
Mit diesem Folkeboot segelte Sampson über den Atlantik © Leo Sampson Goolden

Aber so ein Leben führt der 27-jährige Engländer Leo Sampson Goolden nicht. Er hat 2010 in Bristol eine Bootsbauer-Lehre begonnen, sich sein erstes Boot mit sparsamer Lebensweise und nächtlichen Kellnerjobs zusammengespart. Fünf Jahre später kommt er mit «Lorema» in der Karibik an. Es ist kühn, mit einem 7,60 m Folkeboot über den Atlantik zu segeln. Aber Goolden weiß, wie man mit wenig viel erreicht. Nach einem Intermezzo als Skipper einer klassischen 30 m Ketsch heuert er auf dem 65 m Schoner Adix an. «Allein der Klüverbaum ist länger als mein Folkeboot.» An Bord dieser Yacht und als Bootsbaunomade verdient er seine Brötchen. Als er von «Tally Ho» und ihrem drohenden Kettensägen-Schicksal im fernen Oregon hört, holt er das Gebälk vom Hof, stellt es in der Nähe von Seattle bei Freunden neben deren top ausgestattete Werkstatt und krempelt die Ärmel hoch.

Mit der flachbordigen "Lorema" unterwegs zur Karibik
Mit der flachbordigen "Lorema" unterwegs zur Karibik © Leo Sampson Goolden

https://youtu.be/

Das 1 $ Schnäppchen ist eine Legende englischen Hochseesegelns. «Tally Ho» entstand 1910 als Yacht und Hochseeangelboot gleichermaßen - und zwar im südenglischen Bristol, Gooldens Heimat. 1927 sie die Fastnet Regatta bei brutalen Bedingungen. Ganze zwei von 15 Schiffen kamen damals überhaupt ins Ziel.

Seit Juli 2017 hat der junge Bootsbauer beeindruckend Gas gegeben, ein Zelt über der Baustelle errichtet, das Deck entfernt und die untergebolzten 4,75 t Blei ohne Kran unter dem stehenden Boot abgenommen. Allein dieses Kunststück ist in Folge 8 seines Videoblogs sehenswert. Goolden hebt das aufgepallte Boot mit Hydraulikpressen zentimeterweise an und passt mit Hammerschlägen die Keile über die Länge der seitlichen Pallhölzer an, damit es nicht umkippt. So geht das, wenn man so pfiffig und hemdsärmelig ist wie Goolden. Beeindruckend ist auch, wie er mit dem Bohrmeißel den Beton aus der Bilge holt, oder den untersten Plankengang vom Kiel zerrt. Für Goolden scheint es keine Probleme zu geben, nur lösbare Aufgaben. Zwischendurch geht er 'ne Runde laufen, empfängt freiwillige Helfer oder holt mal eine aus dem fernen Europa angereiste Freundin am Flugplatz ab.

Leo Sampson Goolden vor seiner Mammutaufgabe
Leo Sampson Goolden vor seiner Mammutaufgabe © Leo Sampson Goolden

«Ich werde oft gefragt, warum ich eigentlich dieses rotte Schiff restauriere und nicht ein neues baue. Es geht, um die Magie eines Tages auf einem historischen Boot zu segeln, das ich selbst restauriert habe. Das ist eine der romantischsten Ideen, die man haben kann» meint Goolden.

Bis dahin hat Goodson noch einige tausend unromantische Stunden harter Arbeit vor sich. Eine rotte Huk mit Kuhfuß, Motorsäge, Axt und Hammer zerlegen geht schneller und ist Welten einfacher, als sie Spant für Spant, Planke für Planke, Knie für Knie, Decksbalken für Decksbalken millimetergenau wie anno 1910 für die nächsten hundert Jahre zusammen zubauen.

Tally Ho Einrichtungsplan
Tally Ho Einrichtungsplan © Leo Sampson Goolden

Tally Ho Segelplan
Tally Ho Segelplan © Leo Sampson Goolden

GAFFELKUTTER TALLY HO

Entwurf: Albert Strange
Baujahr: 1910
Werft: Stow and Son Werft in Shoreham-by-Sea
Länge über alles: 16,75 m
Deckslänge: 14,50 m
Wasserlinie: 13,30 m
Breite: 3,90 m
Tiefgang: 2,10 m
Verdrängung: ca. 15 t
Außenballast: 4,75 t
Innenballast: ca. 8 t
Bauweise: Teak und Ulmen Planken auf Spanten aus Eiche

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VG