Superyachten7 min Lesezeit

Megayacht auf Abwegen

Megayacht «Phocéa» – vom Rekordjäger zum Drogenschmuggler

Megayacht auf Abwegen
War lange Zeit die größte Segelyacht der Welt: 75 m-Phocéa © Fraser-Yacht

Eine Geschichte wie diese kann nur das Leben schreiben. Sie wäre viel zu verrückt für einen Roman, zu glamourös für eine Dokumentation und per se zu aufwändig für eine Filmproduktion. Es ist die Geschichte einer Yacht, die schon immer unter dem Siegel «Größenwahn» segelte: Zunächst um Höchstgeschwindigkeiten auf langen Ozeanpassagen zu erzielen, später als «kulturelle Botschafterin» Frankreichs, dann um den Superreichen und Schönen als schicker Liegestuhl zu dienen und um schließlich als gigantomanischer Drogenschmuggler unter Verdacht zu geraten.

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 07.12.2022

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Die Geschichte eines 75 m langen Viermasters, der bereits 1976 mit 30 Knoten über den Atlantik raste. Aber nie eine Regatta gewann!
  • Als der französische Geschäftsmann Tapie die Yacht vom Club Mediterranée erwarb und zu einem Luxus-Spielzeug mit goldenen Wasserhähnen umbauen ließ, begann ihre „halbseidene Karriere“.
  • Im Pazifik wurde die „Phocea“ zum Drogenschmuggel missbraucht
  • Dann konnte die Yacht für 220.000 Dollar gechartert werden – pro Woche!
  • Schließlich sank die Phocéa nach einem Brand an Bord im Jahr 2021

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Länge läuft

Es ist in Zeiten breithintriger Gleityachten mit Neigekiel eigentlich kaum zu glauben, aber es gab tatsächlich Epochen, als sich der Erfolg beim Regattahochseesegeln auf eine einzige Formel beschränkte: Länge läuft!

Entsprechend wuchs in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, zu Beginn der großen Offshore-Einhand-Regatten wie etwa OSTAR, der Hang zu einer gewissen Gigantomanie. Als die durchschnittliche Länge einer Segelyacht noch bei neun Metern lag, tauchte plötzlich der Hochseeheld Eric Tabarly mit seiner knapp 23 m langen Ketch Pen Duick VI auf. Logisch, dass er sogar einhand allen davon segelte.

Grund genug für Alain Colas, von dem es damals hieß, er sei der einzige, der Tabarly bei Hochseeregatten „das Wasser reichen“ könne, mit einem Megaschiff aufzutrumpfen, das diesen Superlativ mehr als verdient hatte: Die „Club Mediterranée“ war sage und schreibe 75,15 m lang, hatte vier Masten mit Bermuda-Rigg und sollte von Colas ebenfalls einhand gesegelt werden!
Erraten? Genau um dieses Schiff geht es in den folgenden Zeilen …

Tatsächlich lag erwähnter Alain Colas bei der Transatlantik-Regatta OSTAR 1976 mit großem Vorsprung vor Tabarly, als er wegen eines technischen Problems bei schwerem Wetter in Halifax/Neufundland Hilfe von außen in Anspruch nehmen musste. Was ihm wiederum eine Strafe von zusätzlichen 58 Stunden Segelzeit einbrachte. Tabarly siegte also erneut und Colas war frustriert: Die nächste Regatta im großen Stil sollte erst in zwei Jahren wieder stattfinden. Was also tun mit seinem „Monster unter Segeln?“

Als Botschafter Frankreichs

Also segelte er zwei Jahre als Repräsentant Frankreichs mit der „Club Med“ im Mittelmeer, in der Karibik und vor den USA, der namensgebende Sponsor vercharterte die Megayacht inkl. Skipper eher selten, bis Colas bei der Route du Rhum auf einem anderen Gigantomanie-Schiff, dem Trimaran „Manureva“ (mit dem er als Erster auf einem Mehrrumpfboot einhand die Welt umrundet hatte) in einem Sturm sein Leben ließ.

Für die Club Med bedeutete dies: Warten auf den nächsten Exzentriker, der sich mit ihr und den enormen Nebenkosten (damals geschätzte zwei Millionen FF jährlich) abgeben wollte.

Vorhang auf für Bernard Tapie, der das Schiff 1982 kaufte und für eine nie genannte Unsumme von Grund auf umbauen ließ. Aus dem spartanisch eingerichteten Regatta-Giganten wurde eine Megayacht, die pompös im farbenfrohen Stil der frühen Achtziger-Jahre eingerichtet wurde: Neun Gästekabinen mit den gewissen Extras wie vergoldete Wasserhähne, eine großzügige Eignersuite, ein Friseursalon für das häufig überproportional stark vertretene weibliche Geschlecht an Bord, jede Menge Jacuzzis und Pools sowie Kabinen für 18 Personen Stammpersonal. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Wilde Jahre

Die Masten wurden um 6 m verlängert, die Segelfläche nochmals vergrößert, da das Schiff 40 % mehr Verdrängung ins Wasser brachte.

Tapie taufte sein Schiff auf den Namen „”Phocéa”“ um – der Marseille Fan (späterer umstrittener Fussballdirektor von Olympique Marseille und schließlich erster Franzose an der Spitze von „adidas“) wollte den Phöniziern, Gründerväter von Marseille, zu Wasser ein weiteres Denkmal setzen.

„Echt wilde Jahre“ nannte Tapie die Zeit auf der “Phocéa” einmal, als er vollkommen pleite, bereits 10 Monate wegen eines Bestechungsskandals im Knast saß – geschätzte Kosten rund um das Tapie-Spiezeug: 100 Millionen FF.

Halbseidene Welten, Glamour, Glanz und jede Menge Kleingeld … die “Phocéa” schien wie geschaffen für dieses Milieu.

Das dachte sich auch Mouna Ayoub, eine Salonlöwin, die kurz zuvor vom Saudi Nasser al Rashid ziemlich erfolgreich geschieden wurde und in der Portokasse ein paar Millionen für Spielzeug übrig hatte. Sie kaufte die “Phocéa” („ein Schnäppchen!“ ) aus Tapies Konkursmasse und ließ sie für 17 Millionen US$ abermals umbauen: Neues, technisch aufwändigeres Rigg, eine gigantische Maschine, luftigeres Kabinendesign. Schließlich will Frau sich an Bord amüsieren.

Fünf Jahre lang war die “Phocéa” State of the Art vor allem im Mittelmeerraum, bis sie im Jahr 2004 ihre Status als größte Luxussegelyacht der Welt an die brandneue „Athena“ des amerikanischen Milliardärs Jim Clark verlor. War sie frustriert oder beleidigt? Jedenfalls rammte sie im Jahr darauf vor Sardinien in einen Felsen, wurde reichlich beschädigt und mehr oder weniger angewidert von ihrer Besitzerin verstoßen.

Die Spannung wächst

Nachdem “Phocéa” repariert war und mehrfach die (meist IT-neureichen) Besitzer wechselte, gelang sie schließlich in die Flotte des Thailänders Anh Quan, dessen Schiffsbroker-Geschäfte nicht gerade wegen ihrer Transparenz einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichten.

Quan verchartert die Phoceá für 260.000 US$ die Woche; die Geschäfte liefen so lala, dennoch war die ehemalige Regattayacht eigentlich immer unterwegs, was wiederum viele Beobachter der Szene reichlich erstaunte.

In 2005 ließ Quan die “Phocéa” als Diplomaten-Yacht des südpazifischen Inselstaates Vanuatu eintragen. Der Thailänder machte sich im Laufe der folgenden Jahre „unentbehrlich“ für viele Politiker Vanuatus.

Auf dem Weg zwischen Australien und Papua-Neuguinea oder zwischen Thailand und Vietnam – Strecken, auf denen die “Phocéa” ausgesprochen häufig verchartert schien – wurde die Megayacht zwar mehrfach von der australischen und vietnamesischen Exekutive abgefangen und „gefilzt“. Doch obwohl jedes Mal ausdrücklich Drogen an Bord gefunden wurden, kam es nur zu Festnahmen, die ein paar Stunden wieder „aufgehoben“ wurden. Die “Phocéa” konnte immer ihren Kurs fortsetzen.

In 2012 erhielt Quan die Vanuatische Staatsbürgerschaft, zudem stellte man ihm in Aussicht, dass er Honorarkonsul Vanuatus in Vietnam werden sollte.

Phocéa gestürmt

Doch die Zeiten änderten sich auf dem Inselstaat. Bei den kurz darauf angesetzten Wahlen kamen junge, progressive Politiker an die Macht, die mit dem alten Klüngel ihrer Vorgänger aufräumen wollten. Als die “Phocéa” das nächste Mal auf Reede vor Vanuatu den Anker warf, war nichts mit Blumengirlanden zum Empfang: Die Polizei stürmte das Schiff, verhaftete 13 der 16 Besatzungsmitglieder, klagte den Kapitän wegen Drogen- und Waffenschmuggel an, der wiederum den angehenden Honorarkonsul Quan anschwärzte, dessen Boeing mit Ziel Südamerika zufällig einige Stunden zuvor abgehoben hatte. An Bord der “Phocéa” wurden Drogen („zum Hausgebrauch“) gefunden, keine Waffen, allerdings wurde festgestellt, dass Kapitän und Crew mit gefälschten Patenten und Schiffspapieren unterwegs waren.

Die “Phocéa” interessierte das wenig, vorerst. Sie lag gut bewacht monatelang vor Anker und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Das Schiff blieb an der buchstäblichen „Kette“ und sollte erst frei gegeben werden, wenn Quan gewisse Steuerschulden beglichen habe.

Dessen Honorarkonsulsposten war übrigens mittlerweile vakant und überhaupt schien er – wie zuvor seine politischen Freunde – das Vertrauen der Inselbevölkerung verloren haben.

Die neue Regierung sprach offen ihre Befürchtungen aus: „Wurde die “Phocéa” für Waffen- und Drogenschmuggel im großen Stil benutzt?“ Und gleichzeitig war zu hören: „Wir haben keine rechtlichen Belange, das Schiff festzuhalten, da wir keine stichhaltigen Beweise haben!“ Zudem dürften die exorbitant hohen Unterhaltskosten eine gewisse Rolle gespielt haben, die von den Rechtsanwälten des weiterhin in der Welt herumjettenden Quan mittlerweile beim Inselstaat eingefordert wurden.

Wieder amortisierend unterwegs?

Doch was sollte mit der “Phocéa” geschehen? Es gab auf der Insel keine Mannschaft, die fähig gewesen wäre, das Schiff zu segeln. Nur gewisse Gefängnis-Insassen.

Also wurden Kapitän und Mannschaft gegen eine eher symbolische Kaution auf freien Fuß gesetzt, mit der besonderen Auflage, das teure Monstrum so schnell wie möglich in andere Hoheitsgewässer zu segeln.

Knapp vor einem aufsteigenden Zyklon ritt die “Phocéa” davon, ganz offiziell, mit gefälschten Papieren und einer nach internationalem Seerecht illegal tätigen Mannschaft. Und ward seitdem vor Vanuatu nicht mehr gesehen.

Entlang klassischer Schmuggler-Routen

Dafür segelte sie häufig zwischen Papua-Neuguinea und Australien, ebenso wie zwischen Thailand und Vietnam. Die Yacht wechselte mehrmals den Broker, doch das Charter-Geschäft schien einigermaßen zu florieren. Zwar lagen die Routen, auf denen die Yacht unterwegs war, mitunter auffällig nahe an klassischen Schmuggler-Routen. Doch häufige Kontrollen, vor allem durch australische und vietnamesische Behörden, blieben ohne Ergebnisse.

25 Millionen – ein Schnäppchen!

Außerdem wurde die Yacht den Eignern langsam, aber sicher zu teuer – das Charter-Geschäft mit riesigen, pompösen Luxusyachten war eben auch nicht mehr das, was es mal war. Irgendwann tauchte der Name "Phocéa" schließlich bei den Brokern als "Luxus-Schnäppchen für schlappe 25 Millionen US$ auf. Doch selbst mit dem Lockvogel "Verhandlungssumme!" interessierte sich kaum jemand ernsthaft für die Phocéa.

2010 wurde die Yacht für rund 10 Millionen Euro an Xavier Niel verkauft, der mit den Brüdern Steve und Jean-Émile Rosenblum, den Gründern der Website Pixmania, zusammenarbeitet. Phocéa wurde in Luxemburg registriert, war allerdings
im Besitz einer maltesischen Firma, Phocea Limited. Diese wiederum ist zu 50 % im Besitz der Holdinggesellschaft NJJ Capital (ein französisches Unternehmen, das Xavier Niel gehört) und der Holdinggesellschaft Dotcorp Finance (ein luxemburgisches Unternehmen, das den Brüdern Rosenblum gehört).

Es kam, wie es kommen musste: Im Jahr 2021 sinkt die Phocéa, nachdem sie am 18. Februar 2021 teilweise durch ein Feuer zerstört wurde, während sie vor dem Langkawi-Archipel in Malaysia vor Anker lag. Die sieben Besatzungsmitglieder blieben unversehrt. Kurz flammte ein Gerücht auf, es habe sich um nichts anderes als Versicherungsbetrug gehandelt – Gerüchte, die letztendlich nicht bestätigt wurden.

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