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Zwei oder drei Rümpfe – das ist hier die Frage!
Frei nach Shakespeare: Welches Mehrrumpfboot ist für mich das richtige?
Die Scheu vor vermeintlich exotischen Mehrrumpfbooten schwindet immer mehr. Dank technischer Hilfsmittel gehören viele Probleme wie zum Beispiel Platzmangel in den Hafenboxen längst der Vergangenheit an. Doch was ist eigentlich besser? Kat vs. Tri
veröffentlicht am 06.08.2021
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Was macht einen Katamaran, was macht einen Trimaran aus?
- Welches Boot hat welche Vor- und Nachteile?
- Warum immer mehr erfahrene Segler von den Segeleigenschaften der Mehrrumpfboote schwärmen
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Kein Zweifel: Mehrrumpfboote sind nicht nur „im Kommen“, sondern auf dem besten Wege, Monorumpfer aus den Top-Rängen der Beliebtheits- und Wunschskalen zu verdrängen. Ganz egal, ob es dabei um Extreme wie z.B. Geschwindigkeitsrekorde auf Hoher See oder um ein Maximum an Komfort geht – die Mehrrumpfer sind immer „ganz vorne“ dabei, wenn nicht sogar unschlagbar.
Doch was ist eigentlich in welcher Situation und für welchen Einsatzbereich besser? Der meist etwas futuristisch wirkende Trimaran mit seinem Hauptrumpf und den zwei Schwimmern? Oder der Katamaran auf zwei relativ schmalen Rümpfen?
Die folgenden Zeilen sollen die jeweiligen Vor- und Nachteile der beiden Mehrrumpfboote beleuchten, ohne dass dabei im Besonderen auf bestimmte Modelle eingegangen wird. Vielmehr versteht sich der Text als eine Entscheidungshilfe für alle Mehrrumpf-Willigen. Und solche, die schon seit Längerem mit dem „etwas anderen Boot“ liebäugeln.
Hauptaugenmerk soll dabei auf Mehrrumpfboote über einer Länge von 6 Metern gelegt werden, die zumindest mit Schlupfkajüten ausgerüstet sind und sich als bewohnbare Fahrtenboote eignen. Strandkatamarane wurden nicht einbezogen.
Uraltes Prinzip – neu entdeckt
Auch wenn Mehrrumpfboote nach dem Einbaum die wohl zweitälteste Fortbewegungsart auf dem Wasser sind, zählen sie in der modernen Welt dennoch zu den „Neuerscheinungen“. Obwohl schon die Phönizier, Etrusker und Römer Kriegsschiffe und Galeeren (vereinzelt) nach dem Katamaran-Prinzip bauten, obwohl der gesamte pazifische Raum schon vor Jahrtausenden mit Hilfe von Mehrrumpfbooten besiedelt wurde und die alten Inder dem Katamaran sogar den Namen gaben (kata =2), geriet das Prinzip der schmalen und somit hydrodynamischen Rümpfe, die über eine relativ große Breite fest miteinander verbunden sind, zumindest auf dem alten Kontinent in Vergessenheit. Zu verlockend waren die voluminösen, dickbauchigen Einrumpfer für den effektiven Warentransport. Ein etwaiger Vorteil durch kürzere Reisezeiten auf See spielte damals noch kaum eine Rolle.
Eine Renaissance erlebten die Mehrrumpfboote in der westlichen Welt tatsächlich erst mit der Entwicklung erster Sportboote auf mehreren Rümpfen. Meist handelte es sich dabei um 4-5 m kurze, offene Katamarane mit nichts als einem Netz als „Liegefläche“. Sie begeisterten wiederum Wassersportler, die möglichst nah am Wasser mit Höchstgeschwindigkeiten unterwegs sein wollten (siehe: Bunte Kats ziehen magisch an). Nach den „Strandkats“ folgten bald erste Mehrrumpf-Modelle, die in Serie gebaut wurden und sich als bewohnbare Boote auch für längere Strecken anboten (meist Katamarane)
In der Handelsschifffahrt fand das Prinzip der höheren Geschwindigkeit und/oder des niedrigeren Kraftstoffverbrauchs dank geringer benetzter Rumpffläche im letzten Jahrhundert ebenfalls Anhänger. Erste Personenfähren wurden nach dem Katamaran-Prinzip gebaut, vereinzelt fahren auch Cargo-Ships mit zwei Rümpfen auf meist kürzeren Handelsrouten.
Katamaran – was den Zweirumpfer ausmacht
Klar, Katamarane sind Boote mit zwei Rümpfen, die fest miteinander verbunden sind. Es gibt Schwert- oder Kielkatamarane. Die Mehrrumpf-Szene unterscheidet bei Katamaranen in mehreren Längen- und Breitenkategorien.
Der Katamaran definiert sich in erster Linie durch sein Längen-Breiten-Verhältnis. Erste Modelle der Moderne wurden im Verhältnis 3:1 gebaut, heute hat sich vor allem in der Fahrten- und Komfort-Szene ein ungefähres Verhältnis von 2:1 durchgesetzt. Rennkatamarane reichen dagegen schon an ein Verhältnis von 1:1 heran, sind also nahezu gleich breit wie lang. Aus diesem Verhältnis entwickelt sich das Segeltrage-Vermögen. Prinzip: Je schmaler, desto größer die Gefahr, mit relativ hoher Segeltragezahl zu kentern. Entsprechend wirken im Vergleich zu Monorumpf-Booten die Masten und somit die Segelfläche auf Katamaranen gleicher Länge häufig eher niedrig. Doch das ist nur optisch – die Geschwindigkeit der Katamarane spricht nahezu immer für sich.
Katamarane bis 9 - 10 m
- Gewohnt wird in den Rümpfen, entsprechend klein der Wohnraum und niedrig der Komfort.
- Zwischen den beiden Rümpfen sind meist Trampolin-Netze gespannt, die u. a. als Sonnen“bank“ dienen.
- Niedrige Zulade-Kapazität
- Gute Segelperformance
- Auf dem Gebrauchtbootmarkt gibt es nur einige Boote, die bereits in dieser Größenklasse ein festes Deckshaus zwischen den Rümpfen haben. Viel Wohnraum, aber häufig schlechte Segeleigenschaften. Diese Form wird heute nur noch selten gebaut.
Katamarane ab 9 - 13 m
- Open-Deck-Modelle, also ohne Deckshaus zwischen den Rümpfen, haben deutlich geringeren Windwiderstand und segeln erfahrungsgemäß schneller und höher.
- Modelle mit Deckshaus – eine Kajüte/Salon als tragende Verbindung zwischen den beiden Rümpfen – haben logischerweise einen relativ hohen Windwiderstand.
- In dieser Größenklasse muss die Größe des Deckshauses gut durchdacht sein. Wer zu viel Komfort will (Stichwort Stehhöhe), wird unweigerlich an Segelleistung verlieren. Und das im potenzierten Bereich. Vorsicht vor zu tief liegenden Deckshäusern – schlagen schon kleine Wellen gegen das Deckshaus von unten, läuft etwas schief!
- Keine Angst vor Performance- und Fahrtenkatamaranen, die in dieser Größenklasse keine Stehhöhe anbieten. Das zahlt sich alles in Segelleistung aus!
Katamarane länger als 13 m
- In den oberen Preisklassen vereint sich Komfort und Segelleistung auf nahezu ideale Weise.
- Je länger und somit breiter das Boot, desto höher die Zuladungsmöglichkeiten und der Komfort.
- Großzügige Raumaufteilung möglich. Salons im Deckhaus, die an Lofts erinnern. Schlafen in den Rümpfen.
- Vor allem als Charterboote sind diese großen Katamarane beliebt. Vorsicht vor regelrechten „Bettenburgen“.
- Sicheres, schnelles Segeln durch tiefen Schwerpunkt.
Vorteile Katamaran (allgemein):
- Meist hervorragende Segelleistungen
- Wenig Krängung bei vergleichsweise hoher Geschwindigkeit
- Vor allem bei größeren Katamaranen extrem viel Wohn- und Lebensraum
- Mehr Intimsphäre durch getrennte Schlafmöglichkeiten in den beiden Rümpfen
- Trockenfallen häufig problemlos möglich
- Weniger Bewegungen im Seegang (Nausea)
- Ruhig vor Anker, relativ große „Spielflächen“
- Gut zu manövrieren, mit jeweils einem Motor an oder im Rumpf
- Dreht auf dem Teller
Nachteile Katamaran (allgemein):
- Je nach Konstruktionsweise mitunter schwierige Manöver (Wende – Boot dreht nicht durch den Wind).
- Gute Höhe/gute Am-Wind-Eigenschaften nur mit Schwertern
- Bei hohem Deckshaus teils starker Windwiderstand
- Platzbedarf im Hafen
Trimaran – warum mehr manchmal doch besser ist
- Tri=3= drei benetzte Rumpfflächen. Am deutlich voluminöseren und längeren Hauptrumpf sind an seitlichen Verstrebungen geringer dimensionierte Schwimmer angebracht. Schon bei niedrigen Geschwindigkeiten taucht der Lee-Schwimmer (ganz oder teilweise) im Wasser ein und der Luv-Schwimmer schwebt über der Wasseroberfläche. Extreme Konstruktionen können sogar ausschließlich auf dem Leeschwimmer segeln und somit den Wasserwiderstand optimal verringern.
- Trimarane gelten wegen des im Vergleich zu Katamaranen niedrigeren Wasserwiderstandes per Definition als die schnellere Variante der beiden Mehrrumpfarten.
Trimarane bis 11 m
- Früher waren die relativ breiten Trimarane in dieser Längenklasse eine Art exotisches „No-Go“: zu breit für normale Hafenboxen, zu unhandlich in Hafensituationen, nicht trailerbar.
- Mit smarten Klapp-Systemen, mit deren Hilfe die Trimarane auf Boxen-Breiten zusammengeklappt und/oder gefaltet werden, änderte sich die Szene völlig.
- Zwei Klappsysteme haben sich bewährt: 1. Einklappen der Schwimmer bis teilweise unter den Hauptrumpf. 2. Seitliches Schwenken/Falten heckwärts an den Hauptrumpf. Damit werden die Probleme rund um Trailern und Platz in den Häfen größtenteils gelöst.
- Trimarane bis 9 m bieten durch den größeren Haupt-/Mittelrumpf im Vergleich zum Katamaran gleicher Größenklasse mehr Raum-Komfort, zudem sportliches und vor allem schnelles Segeln.
Trimarane ab 11 m (Wohnraum im Hauptrumpf)
- Auch in diesen Größenklassen gibt es noch Klapp-Systeme.
- Meist steht eine möglichst optimale Segelleistung im Vordergrund. Deshalb häufiger Einsatz bei Regatten oder für schnelle Seetörns, bei denen es weniger auf Komfort ankommt.
- Im Vergleich zu Katamaranen oder Monorumpfer bieten die Trimarane dieser Größenklasse mit hauptsächlichem Wohnraum im Mittelrumpf ein deutlich niedrigeres Raumangebot.
Trimarane ab 11 m (Wohnraum im Deckshaus)
- Einige spezialisierte Werften feiern mittlerweile gute Verkaufserfolge mit Trimaranen, bei denen Hauptrumpf und Schwimmer durch ein über die gesamte Breite gebautes Deckshaus verbunden werden.
- Hier wird optimale Wohnraumaufteilung geboten (auch in den voluminöseren Schwimmern).
- Diese Trimarane sind wahre Raumwunder – Luxuskategorie!
- Auf See gute Segeleigenschaften, sehr sicher.
Vorteile Trimaran (allgemein):
- In den kürzeren Versionen dank voluminösem Hauptrumpf mehr Raum
- Sehr gute Segeleigenschaften, viel Segelspaß: Leichtwind, seegängig, sehr schnell, sicher
- In den großen Luxus-Deckshaus-Versionen viel Platz für Crew und „Spielzeug“
- In den kleineren Versionen bessere Parkmöglichkeiten im Hafen dank Klappsystemen
- Eher weiches Einsetzen in die Welle
- Hoher Wiederverkaufswert bei moderneren Serienmodellen
Nachteile Trimaran (allgemein):
- Vergleichsweise hoher Anschaffungspreis
- Bei größeren Modellen Raum erst in der Decksversion mit Katamaran vergleichbar
- Platzproblem im Hafen, falls Schwimmer nicht einklappbar
- Wenig agil in den Manövern
State of the Art
Mittlerweile nehmen Trimarane eine Sonderstellung in Sachen „Zukunftsmusik“ ein. Mit der 32 m langen und 23 m breiten, foilenden Trimaran-Ultim-Klasse werden einhand und im Crew-Modus Nonstop-Weltumseglung-Rekorde gebrochen und dank finanziell potenter Sponsoren spannende Konstruktions- und Bautechniken getestet. So schafften es die Konstrukteure rund um diese Klasse innerhalb kürzester Zeit, dass sich diese „Monster der Meere“ auf Foils vollständig aus dem Wasser heben. Um so Geschwindigkeiten jenseits der 50-Knoten-Marke erzielen können.
Strukturelle und Baustoff-technische Erkenntnisse aus der Ultim-Klasse fließen (in kleinen Schritten) auch in Trimaran-Serienmodelle.