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Geräusche an Bord

Wer auf Geräusche achtet, fährt am besten

Geräusche an Bord
Am Wind-Kurs mit offenen Ohren © Swedesail/E. Braschos

Alles an Bord kündigt sich mit einem Geräusch an. Deshalb Ohren auf, der Ursache nachgehen und sie abstellen.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 07.05.2018

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • die meisten Probleme unterwegs kündigen sich hörbar an
  • warum früher nach Gehör navigiert wurde
  • welche Geräusche was ankündigen

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Vor einer Weile war ich mal auf einem hübschen Motorboot auf dem Bodensee eingeladen. Es ging im Tiefflug von Kressbronn nach Konstanz. Als passionierter Segler fahre ich nie Motorboot. Ich kann mir das nicht leisten. Auch habe eine gewisse Abneigung gegenüber Spritsäufern. Aber den Einblick in eine mir bis dahin unbekannte Welt vergesse ich nicht. Es ging alles so leicht, unbeschwert und schnell. In voller Gleitfahrt über den glatten Lago gen Konstanz preschen war interessant.

Nach einem Abstecher zum Untersee mit Baden und Picknick vor der Insel Reichenau machte sich bei Konstanz ein singendes Geräusch bemerkbar. Es dauerte ein bisschen, bis es sich gegenüber dem kernigen Sound der beiden Achtzylinder durchsetzte. Zunächst wurde es ignoriert. Doch bald meldete es sich nicht bloß ab und zu, sondern permanent. So gingen wir der Sache im Konstanzer Hafen nach. Keiner an Bord hatte an diesem herrlichen Sommertag Lust zu einem Blick in den Motorraum, auf Handbücher, Telefonate und den Gang zur Tankstelle. Als Getriebeöl mit der geeigneten Viskosität nachgefüllt war, ging es weiter.

Hätten wir das Singen überhört oder ignoriert, wäre es teuer geworden. Fazit: Unübliche Geräusche, sei es irgendein seltsames Summen und Singen oder beispielsweise die ohne eigenes Zutun veränderte Drehzahl der Maschine sind ein Hinweis, dass beim Motorboot etwas nicht stimmt.

Auch unter Segeln fährt man mit offenen Ohren besser. Ein bisher nicht gehörtes Klappern muss nicht gleich etwas Schlimmes ankündigen. Doch was immer unten im Schiff, an Deck oder im Rigg herum dengelt, wird früher oder später lästig. Das Fall, das lose herumbaumelt, wird durchgesetzt und neu belegt. Vielleicht ist der Anker nicht richtig verstaut. Liegt etwas lose an Deck herum? Knackt oder knistert es im Rigg? Vor Jahren begann der an Deck stehende Mast meines Bootes im Seegang zu knarzen. Ich hörte und guckte es mir aus der Nähe an und wusste, dass unbesorgt weiter gesegelt werden kann. Der Fuß des biegsamen Masts bewegte sich leicht federnd auf der Schiene.

Der versierte Segler hört und spürt auch unter Deck in seiner Koje liegend, ob oben alles richtig gemacht wird und es läuft. Er hört es am veränderten Wassergeräusch, an eingebeulten oder flatternden Segeln.

Der mitlaufende Propeller des segelnden Bootes macht sich unter Deck mit rotierender Welle bemerkbar. Der Hohlraum des Kiels, der sich nach und nach mit Wasser füllt, kündet mit schwappender Bilge von einer Leckage. Man hört es unter Deck dann tückisch Glucksen. Winschen mit vernachlässigtem Innenleben klingen heiser und metallisch. Die Klinken gewarteter Winschen dagegen rasten mit gleichmäßig sattem Klang ein. Bei schlechter Sicht hört der Segler die Motoren und die Bugwelle der Großschifffahrt zuerst. Auch plötzlich auffrischenden oder drehenden Wind hört man unterwegs und auch vor Anker unter Deck: Das Rauschen der Bäume rings um die Ankerbucht und die Wellen am Ufer sagen: Sieh mal nach.

Früher wurde ohnehin nach Gehör navigiert. «Beyond the clouds, beyond the waves that roar, there may indeed, or may not be, a shore» feixte der Expeditionssegler H. W. Tilman (siehe: Der Gebrauchtbootsegler (HW Tilmann)).

Wer nachts oder mit ausgefallener Elektronik unterwegs ist, hört am besten gut hin. So praktisch die modernen Goretex-Segeljacken sind. Die Kapuze ziehe ich nie über den Kopf. Der bewährte Südwester oder die praktische Pudelmütze lässt dagegen die Ohren frei. So höre ich sofort, wenn etwas nicht stimmt.

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VG