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Zur Sache kommen
Der zweckmäßig-sportliche Daysailer bietet die Essenz des Segelns

Segeln ist eine aufwändige Sache. Deshalb besinnt sich mancher Segler auf ein sportliches wie zweckmäßiges Boot, mit dem er flott aufs Wasser kommt und ihm einfach Spaß macht: den Daysailer. Ein Blick in Szene reizvoller Spaßboote.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 07.04.2014, aktualisiert am 16.03.2023
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- warum der Daysailer das beste Rezept fürs Seglerglück ist
- Ursprung des Daysailers
- wie Giovanni Agnelli von einer Soling über eine Megayacht zum Daysailer zurückkehrte
- ein Blick in die abgefahrene Welt der Mittelmeer-Daysailer
- Beispiele im modernen und traditionellen Look
- welche Konstrukteure und Werften in Deutschland, der Schweiz und Holland im Thema sind
- Tipps zu gebrauchten Typen als Einstieg
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Der Hamburger Yachthafen in Wedel an der Elbe hat zweitausend Sommerliegeplätze. Hier wurde mal über einen längeren Zeitraum beobachtet, dass die dort vertäuten Boote im Wesentlichen zweimal in der Segelsaison bewegt werden. Nämlich im Frühjahr vom Winterlager zum Steg und im Herbst wieder zurück. Liegt es an den Schiffermützenträgern, also der Überalterung der Bootseigner? Lassen das Arbeits- und Privatleben jungen Leuten und Familien keine Freizeit mehr zum Ablegen? Verzetteln wir uns mit zu vielen Hobbies? Geht es beim Bootsbesitz hauptsächlich ums Haben und Angeben, nach dem arg abgegriffenen Motto «mein Haus, mein Auto, mein Boot»? Dieser Artikel zeigt, warum der Daysailer die bessere Entscheidung ist.
Daysailer für jeden Geschmack - unsere aktuellen Angebote
Alle Angebote in der Übersicht
Wenn Sie sich in den Buchten, Häfen oder Segelvereinen unserer Gewässer umsehen, entsteht der Eindruck, Boote würden ähnlich wie Heimtrainer als Versprechen eines anderen, aktiven Lebens gekauft. Anscheinend lösen die Besitzer dieses Versprechen an sich selbst nicht ein. Denn selbst an schönen Sonn- und Feiertagen schlummert eine riesige Flotte von Freizeitbooten unbenutzt unter der Plane.
Liegt es vielleicht am Boot selbst? Bereits das zehn Meter lange Kajütboot heutiger Machart bietet als schwimmendes Wochenendhaus vier Kojen, Salon, Pantry, Toilettenraum, Einbaumaschine und Stehhöhe in sämtlichen Kabinen. Das knapp zehn Meter lange Einsteigermodell der Großserienhersteller wiegt Werftangaben zufolge etwas mehr als fünf Tonnen und ist mit etwa 50 Quadratmetern besegelt. An Bord solch eines Tourenbootes findet der Segler keine Nähe zu den maßgeblichen Elementen Wind und Wasser. Das hochbordige Schiff und die Kuchenbude killen den Segelspaß.
Fast jedes Boot ist defacto ein Daysailer
Konstrukteur Bill Langan
Mitte der Neunzigerjahre besuchte ich einmal das renommierte Konstruktionsbüro Sparkman & Stephens in New York. Dort erklärte mir der langjährige Büroleiter Bill Langan. «Es spielt keine Rolle, wie groß das Boot ist. Ob wir vom kleinen Kabinenkreuzer oder der großen hochseetauglichen Yacht reden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind alle Segelboote Daysailer. Denn auch mit der 25 Meter Yacht wird Sonntagvormittag nach dem Frühstück abgelegt, ein paar Stunden gesegelt und nachmittags zurückgekehrt.» Langan wusste, wovon er redet. Er blickte auf zahlreiche Entwürfe und Besuche seiner Kunden an Bord ihrer Boote zurück.
Machen Sie es sich einfach
Wenn dies die tatsächliche Nutzung ist, wird es höchste Zeit, sich auf einen uralten Bootstyp zu besinnen, den es schon lange, und zwar seit der Kaiserzeit gibt. Damals wurde er «Nachmittagsboot» genannt. Heute, wo das Lifestyle-Thema Segeln nicht ohne Anglizismen auskommt, heißt es «Daysailer». Damals handelte es sich bei diesem Gefährt um ein etwa neun Meter langes offenes Kielboot ohne Unterschlupf, Spritzkappe oder Kajüte, ein Gefährt für schöne Segelstunden. Damit kam man flott zur Sache. Das Auf- und Abtakeln stand im Verhältnis zu den Stunden auf dem Wasser. Wer das Glück hatte, in der Nähe seines Liegeplatzes zu arbeiten und zu wohnen, legte an schönen Sommertagen sogar unter der Woche mal ab.
Kein Wunder, dass sich seit einigen Jahren mancher Bootskonstrukteur und Bootsbauer auf dieses Konzept besinnt. Auch wenn die Stückzahlen im Vergleich zu den multioptionalen Touren- und Bummelbooten klein sind, kann von einem Trend gesprochen werden. Daysailer werden von Individualisten gekauft, die sich für die Essenz des Segelns interessieren. Sie wissen, dass ihnen der Alltag, ganz gleich wie schön oder verregnet der Sommer ist, wenige Gelegenheiten zum Ausbüchsen aufs Wasser lässt. Entsprechend kostbar sind die Stunden auf dem Wasser. Wer es modern mag, wird sich beispielsweise eine «Esse» oder «B-Yacht» des mailändischen Konstrukteurs Luca Brenta ansehen. Die «B38» eignet sich für Binnengewässer wie den Atter- oder Wannsee. Der 60 Füßer wurde bislang zweimal im Auftrag deutscher Eigner für die Costa Smeralda und Kieler Förde und gebaut. Vor Jahren begleitete ich einmal Dr. Klaus Murmann an Bord seiner «Uca» auf der Kieler Förde. Ein Vergnügen, das ich so schnell nicht vergessen werde.
Ein Boot, das bereits bei leichtem Wind segelt und bei zunehmendem Wind überzeugt, muss leicht und mit einem gescheiten Ballastanteil unterwegs sein. Das geht nur, wenn die üblicherweise untergebrachten Einbauten für Kojen, Polstergarnitur im Salon, WC, Dusche, Kochgelegenheit, Tanks, Batterien weggelassen oder auf das Nötigste reduziert werden.
Neben dieser konzeptionellen Klarheit trägt die gewichtsparende Bauweise zur Agilität auf dem Wasser bei. Mitte der neunziger Jahre ließ sich der italienische Industrielle Giovanni Agnelli nach einer Enttäuschung mit seiner 36 m langen «Extra Beat» (zu unhandlich, komplex und schwer) einen 29 Meter Daysailer bei Green Marine nach Plänen von German Frers bauen. Die karbonschwarze «Stealth» ist dank seglerisch fokussierter Konzeption und hochwertiger Bauweise mit sagenhaften 71 Prozent Ballastanteil unterwegs. Agnelli genügte es, sein Landleben für ein paar Stunden zu unterbrechen. Dann wandte er sich wieder anderen Dingen zu.
35 m Daysailer «Firefly»
Der holländische Yachtkonstrukteur André Hoek entwarf vor einigen Jahren einen abgefahrenen Daysailer im Stil der «J-Class», mit 35 statt 40 m Länge etwas kürzer und dank modernem Unterwasserschiff mit 63 statt 150 Tonnen unterwegs. Eine abgeräumte und wahrlich abgefahrene Retro Rennmaschine.
Anstelle des langen Kiels, mit viel Wasser benetzter Fläche des «J-Class» Vorbilds, entwarf Hoek einen modernen T-förmigen 28 Tonnen Kiel. Die «F-Class» ist mit annähernd sechshundert Quadratmetern am Wind einer «J-Class» fast ebenbürtig besegelt. So kommt das Boot bei den lauen Lüftchen, wie sie an der Côte d’Azur oder in der Bahia de Palma oft wehen, eher in Fahrt. Hat die mediterrane Thermik dann ab Mittag eine brauchbare Brise installiert, hält das wirksam tief angebrachte Blei das Boot aufrecht.
Coole Edelholzklasse
Diesen 35 Meter Daysailer kann man wie ein modernes Regattaboot eigentlich nur segeln. Natürlich lässt sich damit mal auch in der Badebucht ankern. Man liegt mit fünf Metern Tiefgang etwas weiter draußen in der Badebucht, oder nimmt die Liftkieloption mit drei bis fünf Metern Tiefgang.
Unter der knietief ins Deck eingelassenen Plicht gibt es das Allernötigste, wie einen Maschinenraum. Auch einen Toilettenraum mit Duschmöglichkeit bietet die «F.Class». Fürs Nickerchen unterwegs bieten sich die beiden Salonbänke mittschiffs an. Übernachtet wird auf einer der zehn Rohrkojen, die vor den Wegerungsleisten im Vorschiff hängen. So ist die «F-Class» mal echte Edelholzklasse. Leider blieb es bislang bei zwei Exemplaren.
Aufgeräumt und leer ist auch die «Qui Fling», eine Flushdeck-Version der «Spirit 52». Ein sehenswerter 16 m langer Drachen in noblem British Racing Green ohne Stehhöhe et cetera, der mit großem Genuss zu segeln ist. Funktional und ohne Schnickschnack, wie ein modernes Regattaboot ausgestattet.
Sehenswert ist auch die Daysailer-Range vom Typ «Eagle» mit vier Modellen von 38 bis 70 Fuß. Hier wird mit einer komfortablen Ausstattung und teuren Pushbutton Lösungen allerdings ein wartungsintensiver Weg gegangen den man mögen und auf Dauer bezahlen muss. Unter Deck gibt es gewissen Komfort, sodass man hier ohne weiteres auch mal an Bord übernachten, mit dem 54 und 70 Füßer schöne Törns machen kann.
Einer, der den schieren Segelspaß konsequent lebt, ist der Pariser Geschäftsmann Jacques Setton. Der Franzose genießt seinen Erfolg in der Elektronik- und IT-Branche mit Spitztouren an Bord seiner «Tomtit» auf dem Golfe Juan draußen vor Antibes und Cannes. Sie ist karbonschwarz, bei 3 ½ m Breite 17 Meter lang und vom argentinischen Ästheten German Frers gezeichnet. Die «Tomtit» ist beeindruckend netto. Die Frers Konstruktion bietet praktisch keinen Komfort. Man kann sie mit dem Bordkran von Settons großer Motoryacht ins Mittelmeer heben.
142 Quadratmeter Foliensegel lassen die rund achteinhalb Tonnen des schlanken Renners mit magischem Tempo durch das Mittelmeer jagen. Wie ein Hightech Cupper profitiert Settons Renner von einer günstigen Massenkonzentration zum Bleitorpedo hin. Unter Verdrängungsgesichtspunkten ist «Tomtit» Beiwerk zu ihrem Kiel.
«Ciao Gianni» als ultimativer Côte d’Azur Daysailer
Dem Prototyp ließen Frers, Setton und die Multiplast Werft im betronischen Vannes eine Serienversion folgen. Sie hieß «Ciao Gianni», ist 60 Fuß lang, weiß und kommt ohne ein schweres wie pflegeintensives Teakdeck und ohne Hubkiel aus. Ein Renner für den Segelnerd, der sich ungern mit lästiger Bootspflege befasst. Deshalb ist er abwaschbar und praktisch wie eine moderne Plastikjolle, allerdings anspruchsvoller gebaut. Länge 18,28 m, Breite 3,65 m, Tiefgang Festkiel 3,80 m, Gewicht 9 t, 180 qm am Wind. Die Konzeption dieses Einhand-Daysailers treibt den Purismus weiter. Der Steuermann steht annähernd mittschiffs neben dem Niedergang. Dort rotieren die zwei sichtbaren Winschen und Belegmöglichkeiten für die nötigen Leinen in Fingerspitzen Reichweite. Die heute auf vielen modernen Daysailern mit lateinamerikanischen (Frers) oder italienischen (Brenta) alta moda Genen übliche Freiluft Sitz- und Lümmelgarnitur, in welcher sich die Freundin oder Frau unbehelligt von seglerischen Handgriffen sonnen kann, hat Frers hinter dem Steuermann angeordnet.
«Ciao Gianni» erinnert an einen der konsequentesten Daysailer des Mittelmeeres. Der italienische Industrielle Giovanni Agnelli hatte in den 70er Jahren ein Dreimannkielboot vom Typ «Soling» auf dem Achterdeck seiner großen Motoryacht «S to S». Das Segelboot wurde mit einem Bordkran ausgesetzt, wenn Agnelli Lust auf ein paar Segelstunden zwischen den Maddalena Inseln, der Costa Smeralda oder im toskanischen Archipel hatte. Nach diesem Ausflug in die Welt der konsequenten und abgefahrenen Daysailer ist es Zeit, in die Realität zurückzukehren.
Wenn Sie über einen neuen oder gebrauchten Daysailer nachdenken, schauen Sie sich mal die Lake Serie der Glas Werft in Possenhofen am Starnberger See an. Oder die «Yunikon» der Yachtkonstrukteurin Juliane Hempel aus Radolfzell am Bodensee. Gebaut von der Schweizer Heinrich Werft in Kreuzlingen. Hempel entwirft sehenswerte wie ausgezeichnet segelnde Sonderanfertigungen.
Außer seglerischen Finessen gibt es einen praktischen Grund, warum ein Boot für hiesige Gewässer leicht sein sollte. Am Bodensee beispielsweise geht es alljährlich ab dem Spätsommer in vielen Häfen um jeden Zentimeter Tiefgang. Auch das flache Ijsselmeer limitiert ähnlich wie mancher mühsam ergatterte Liegeplatz an den bayerischen Seen den Tiefgang. Das leichte Boot mit seinem jollenartig flachen Rumpf lässt zwischen dem Rumpf und dem Grund überhaupt Platz für eine brauchbare Kielflosse. Ein fünf Tonnen schweres Tourenboot üblicher Machart zieht bereits einen derart dicken Bauch durchs Wasser, dass wenig Platz für den Kiel bleibt.
Zwar gibt pfiffige Hubkiellösungen, doch passen die nicht unbedingt zu beherzigenden «keep it simple» Prinzip. Der gelegentlich segelnde Nachmittags- und Wochenendsegler möchte segeln statt basteln.
Leichte Boote, bei denen das Verhältnis von Gewicht und Besegelung stimmt, kommen bereits bei jenem Hauch von Wind, den das schwäbische Meer oder die bayerischen Seen an vielen Tagen in unbeirrter Sparsamkeit bescheren, in Fahrt. Der elf Meter lange Daysailer vom Typ «Sagitta» der Schweizer Heinrich Werft beispielsweise wiegt mit zweieinhalb Tonnen weniger als die Hälfte des erwähnten 30 Fuß Großserienboots und ist mit sechzig Quadratmetern unterwegs.
Daysailer werden heute in verschiedenen Spielarten, von cool bis charmant, von italienischer Alta Moda für den Hauslago bis hin zum Retrosegler für die Küste oder Côte d’Azur gebaut. Wer es modern mag, wird sich eine Esse oder die B-Yachts des mailändischen Konstrukteurs Luca Brenta ansehen. Die B30 eignet sich für Binnengewässer wie den Attersee und der 60 Füßer wurde zweimal im Auftrag deutscher Eigner für die Kieler Förde und die Costa Smeralda gebaut.
Wenn Ihnen das zu aufwändig ist und Sie das Segler-Leben mit dem Daysailer zunächst mal ausprobieren möchten, kaufen Sie für wenige Tausend Euro ein gebrauchtes Plastikboot. Beispielsweise einen Zugvogel, das Einmannkielboot Monas, das Zweimannkielboot Dyas, eine Trias oder einen der zahlreichen Kimmkieler des bayerischen Konstrukteurs Helmuth Stöberl. Diese Boote sind von unseren heimischen Gewässern nicht wegzudenken. Sie sind pflegeleicht und auch einfach Handhabung ausgelegt und ringsum bewährt. Auch ein Yngling, dessen größere Schwester Soling oder ein Drachen sind eine gute Wahl für schöne Stunden auf dem Wasser.
Pflegeleichte Kunststoffboote haben kein ausgebleichtes und fleckiges Teak. Auch gibt es kein nach einigen Jahren schlecht im Lack stehendes Mahagoni. Steigen Sie Mittwoch einfach mal an Bord Ihres Nachmittagsbootes, oder am Sonntag nach dem späten Frühstück. Sie heben die Persenning runter, schubsen sich für ein paar intensiv genossene Segelstunden vom Steg hinaus aufs Wasser, wo Sie wie einst Agnelli ziemlich sicher auf andere Gedanken kommen. Der Daysailer ist eine Alternative zu den multioptionale Hafendatschen, die zweimal im Jahr bewegt werden. Damit kommen Sie zur Sache und haben Spaß auf dem Wasser.