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Behalten statt wechseln

Wie man mit einem Boot für Jahrzehnte glücklich wird

Behalten statt wechseln
Als das Rigg noch gold eloxiert war: Erinnerung an eine Bodensee-Regatta © Maria Rutishauser-Portmann

Von der zufälligen Bojenbekanntschaft zur «ewigen Liebe». Die Geschichte eines Schweizer Ehepaares zeigt, wie man über Jahrzehnte mit dem passenden Schiff in einer stabilen Bootsbeziehung glücklich wird.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 23.04.2021

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • warum Boote meist ersetzt werden
  • was für eine dauerhafte Bootsbeziehung spricht
  • wie man mit einem Boot Jahrzehnte gut fährt
  • ein Beispiel vom Bodensee

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Es macht Spaß, sich zu verändern. Deshalb wechseln viele Eigner früher oder später ihren schwimmenden Untersatz. Wer sich mit Booten beschäftigt, hat das nächste Schiff seiner Träume schon im Visier. Wer clever, nämlich preiswert gebraucht kauft (Ratgeber für den Bootskauf), finanziert mit dem Erlös des vorhandenen Bootes zu einem guten Teil das Nächste.

Nach dem Motto "jeder fängt mal klein an" geht es mit dem trailerbaren Boot los. So wachsen die Schiffe mit der Familie, der Erfahrung, Ansprüchen und dem Revier. Wer stets ein paar Euro für die schönste Sache der Welt übrig hat, steht nach einer Weile an Deck einer richtigen Yacht. Irgendwann, so könnte man meinen, ist man bei seinem Traumschiff (Das Boot Ihrer Träume) angekommen.

Seltsamerweise ist eher die Ausnahme. Gerade die Eigner sehr großer Schiffe, die als kostspielige Sonderanfertigungen entstehen, wechseln ihre Boote wie unsereiner die Jeans. Oft werden sie von ihren Auftraggebern kaum länger behalten, wie die Planung und der Bau gedauert hat.

Schöne Stunden mit «Chichester auf dem Bodensee
Schöne Stunden mit «Chichester auf dem Bodensee © Maria Rutishauser-Portmann

«Chichester» seit 1975

Das Schweizer Ehepaar Maria und Paul Rutishauser lebt am Südufer des Bodensee. Die beiden segeln seit Jahrzehnten ein und dasselbe Schiff. Es handelt sich um einen Tourenschärenkreuzer vom Typ S 30. Der Bootstyp wurde Anfang der Siebzigerjahre entwickelt, um die Eleganz des Schärenkreuzers mit dem Bedürfnis nach etwas mehr Komfort in Einklang zu bringen. Ein zeitgenössisch schwedischer Kompromiss aus Look, Segelspaß und Bordleben, mit Stehhöhe im Niedergangsbereich, vier Kojen, Salon und Mittelplicht. Das Boot wurde nach dem legendären Weltumsegler Sir Francis Chichester (1901-72) genannt.

Knapp drei Jahrzehnte war das Boot rot
Knapp drei Jahrzehnte war das Boot rot © Maria Rutishauser-Portmann

Ich habe Jahrzehnte gebraucht, um das Boot zu verstehen, was es kann und mag

Rutishauser ist ein ringsum gelassener Mann. Er macht null Gedöns um «Chichester». In seiner zurückhaltenden ruhigen Art erklärte er mir vor einer Weile mal, er verstünde nicht, wie man alle paar Jahre ein neues Boot kaufen könne. Er hätte seins erst "im Lauf der Jahrzehnte richtig verstanden. Was das Boot kann, was es mag und wie es läuft." Es geht um Feinheiten, Finessen, seglerischen Genuss. Das alles braucht seine Zeit.

Die Rutishausers segelten von Altnau aus manche Regatta, darunter die Rundum, Ost-West oder West-Ost Langstrecken über den gesamten See, Klassenmeisterschaften und auch die traditionsreiche Polizeiregatta, wo Mitarbeiter der Wasserschutzpolizei aus den drei an den Bodensee grenzenden Ländern zum Segeln eingeladen werden. Begeistert erinnert Maria Rutishauser auch die für Paare gedachte «Sie & Er-Regatta». "Paul kann gut kochen und er hat in Wallhausen am Überlinger See abends an Bord auch für Segelfreunde von uns ein tolles Menü gezaubert."

2002 war es Zeit für den Farbwechsel von Signalrot zu Navyblau

Gegen Ende des dritten «Chichester»-Jahrzehnts war es dann auch bei Rutishausers Zeit zum Wechsel, allerdings nicht für ein neues Schiff. Der Aufbau wurde weiß lackiert, ein piekfeines Teakdeck verlegt und die leuchtend rote Rumpf wurde dunkelblau. Inspiriert vom Etikett eines italienischen Mineralwassers, das Maria Rutishauser bei einem Sardinien-Urlaub entdeckt hatte, wurde das Antifouling und der neue Gennaker grün.

Nach dem Upgrade fürs neue Jahrtausend
Nach dem Upgrade fürs neue Jahrtausend © Maria Rutishauser-Portmann

Weitere Maßnahmen steigerten die seglerische Fidelity - und vertieften die Beziehung zum Boot. Ab und zu wandte sich Rutishauser an "Wäsche-Meier", wie er die Segelmacherei Vogel & Meier augenzwinkernd nennt.

Natürlich wurde der alljährlich dreiwöchige Sommerurlaub komplett an Bord verbracht. Es gibt dazu kein besseres Revier als den Hauslago mit dramatischem Säntis-Alpenpanorama, mit sage und schreibe sechzig Häfen. Maria Rutishauser meint, man bräuchte zwei Monate, um sie alle anzulaufen. Unvergessen ist ein köstlicher Segeltag mit einem einzigen Schlag von Bregenz bis Sipplingen bei herrlich konstantem Wind. Bei Bodensee-üblichen Flauten, lässt man sich einfach treiben, ankert und badet im herrlich sauberen Wasser.

Gutes Gespann. Das Segelpaar an Bord
Gutes Gespann. Das Segelpaar an Bord © Maria Rutishauser-Portmann

Gern hätten die Rutishauser ihren «Chichester» auch die nächsten Jahrzehnte einfach weiter gesegelt, wäre nicht das fortschreitende Alter dazwischengekommen. Deshalb haben sie es auf Boat24 angeboten. Nach 1.158 Klicks und acht Anfragen war es binnen 14 Tagen verkauft.

Bojenbekanntschaft

Meist ist es Freund, Zufall, der einem mit dem Boot fürs Leben bekannt macht. Bei Rutishauser war es eine Bojenbekanntschaft in Romanshorn. Daraufhin lieh ihm Fredi Winterhalter von der Werft Beck & Söhne einen S 30 für den Sommerurlaub. Seitdem gibt es für Rutishauser kein anderes Boot.


Abgenudelte Gurke oder Liebhaberobjekt?

Alte Kunststoffboote können arg runtergekommen sein, oder tipptopp gepflegt, was sich im Preis spiegelt. Wer lieber ablegt, statt bastelt, gibt etwas mehr aus und hat vorerst wenig bis nichts zu tun. Oder man erkennt hinter dem maladen Zustand der «alten Gurke» die Substanz und verwandelt sie in sein Traumschiff. Das macht dem Bastler Spaß und lohnt, wenn man es dann lange nutzt.

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VG