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Unterhaltskosten Motoryacht
Ein fachlicher Blick auf das vielschichtige Thema Betriebskosten
Die meistgestellte Frage beim Anblick einer schicken Motoryacht lautet: «Was kostet mich der Spaß über den Kauf hinaus?» Der Blick auf die wesentlichen Posten zeigt: Die Antwort ist einfacher, als es zunächst scheint.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 18.05.2021, aktualisiert am 09.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Erläuterung der 10-Prozent-Formel
- welche Kosten der Betrieb einer Motoryacht auslöst
- zwei Beispiele zu den Spritkosten (Verdränger und Gleiter)
- Wartungskosten einer modernen Sechszylindermaschine
- Ausgaben für eine beliebte 11 m Flybridge-Motoryacht in verschiedenen Revieren
- Vorlagen zur eigenen Berechnung der Betriebskosten
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Die Zehn-Prozent-Formel
Nach dieser Faustformel kostet ein Boot jährlich etwa zehn Prozent des Neupreises. Nehmen wir als Beispiel eine „Jeanneau 36 Prestige“ in der Flybridge-Ausführung Baujahr 2002. Dieses Boot kostete damals 217.000 € in der Standardausführung mit MwSt. Die jährlichen Betriebskosten lägen demnach bei rund 22.000 €.
Der viel beschäftigte Eigner, der keine Zeit oder Lust zur Bootspflege und sein Schiff im Süden hat, folglich alle Arbeiten an Bord machen lässt, gibt etwa so viel aus. Wie kommt dieses Budget zustande?
Sechs «Kostenstellen»
Der Besitz einer Motoryacht verursacht sechs verschiedene Ausgaben:
- Liege- und Krangebühren
- Versicherung
- Spritkosten
- übliche Betriebskosten
- Bootspflege, laufende Wartung
- Ausgaben für Reparaturen und Verschönerungen
Die Ausgaben für den Liegeplatz, die Versicherung und zur Wartung von Maschine und Getriebe sind konstant. Der Aufwand für die Bootspflege hängt von den Ansprüchen ab und dem persönlichen Einsatz fürs Boot. Große Unterschiede gibt es beim Liegeplatz und dem Sprit.
Liege- und Slipgebühr
Die Liegegebühren an gut erreichbaren und gefragten Revieren wie den Balearen, Côte d’Azur oder der italienischen Riviera liegen deutlich über denen preiswerter Alternativen. Die gibt es am spanischen Festland, in Italien, Griechenland oder in der Türkei. Im Süden Sardiniens liegt man beispielsweise in der Marina di Sant' Elmo bei Cagliari für 4.600 € deutlich günstiger, bei fantastischem Wetter und guter Gastronomie. In Palma de Mallorca kostet es im Real Club Nautico 13.000 €, in Empuriabrava am spanischen Festland die Hälfte.
An der Ostsee ist es Welten günstiger. Wie die Tabelle am Beispiel des beliebten Flybridge-Gleiters vom Typ Jeanneau 36 Prestige (11 × 3,80 m, 8,5 t) zeigt, gibt es bereits an der Lübecker Bucht, einem gut erreichbaren, vor Seegang geschützten und entsprechend beliebten Motoryachtrevier verblüffende Unterschiede.
Der Liegeplatz in einem Verein an der Ostsee kostet ganzjährig (Sommer im Wasser, Winter draußen an Land) je nach Lage und Winterlagermöglichkeiten, einschließlich Kranen um und bei 2.300 €. In einem professionell geführten Full-Service-Betrieb wie der Ancora Marina in Neustadt direkt an der Lübecker Bucht kostet der Sommerliegeplatz 2.582 €. Hinzu kommen 265 € für den Auto-Parkplatz. Das Winterlager wird nach Quadratmetern mit 1⁄2 m Aufschlag für die Breite berechnet. Es kostet bei Ancora draußen (30,46 €/qm) 2.582 €. Die Unterbringung des Bootes in einer ungeheizten Winterlagerhalle kostet (66,16 €/qm) 3.361 €. Ein Platz in einer geheizten Halle kostet (83,60 €/qm) 3.954 €. Hinzu kommen 232 € Miete für den Winterlagerbock.
Wer das Boot an eine bequem erreichbare, gleich an der Ostsee gelegene Full Service Marina legt und es dort im Winter ohne Ausräumen der Polster und ohne Abdecken unter einer Plane flott in eine beheizte Halle stellen lässt, zahlt das Dreifache der Vereinsvariante mit externem Winterlager.
Versicherung
Die Motoryacht wird Haftpflicht- und Kaskoversichert. Die Kosten für die Kaskoversicherung ergeben sich aus dem Revier, Baujahr, dem Bootswert, einschließlich Ausstattung, bei einigen Versicherern den schadensfreien Jahren und dem Versicherer. Hier die Preise des Marktführers Pantaenius für das Beispielboot, Bootswert 95.000 €: Haftpflicht 266 €, Kasko mit 1.500 € Selbstbeteiligung 1.164 €. Die Kosten für Ostsee oder Mittelmeer unterscheiden sich nicht.
Spritkosten
Die jährliche Spritrechnung ist bloß auf den ersten Blick unüberschaubar. Ein gemütlicher 13 m langer 20 t Verdränger beispielsweise benötigt mit einer im niedrigen Drehzahlbereich laufenden Maschine bei gemütlichem 5 Knoten Reisetempo etwa 8 l die Stunde. Die genannte Jeanneau 36 Prestige ist ein Gleiter mit 2 × 370 PS und benötigt bei 20 Knoten Reisetempo um 60 l die Stunde.
Ein Thema für sich ist der Spritpreis. An der Bootstankstelle ist er automatisch höher als an der Straße. In gefragten südlichen Revieren liegt er deutlich über dem üblicherweise an der Tankstelle zu entrichtenden Tarif. Im Mittelmeer werden 1,80 - 1,90 € pro Liter verlangt.
Motoryachten sind schwimmende Residenzen mit gelegentlich wahrgenommener Ablege-Option. Viele Motoryachteigner genießen es überhaupt an Bord zu sein. Wer oft unterwegs ist und lange Törns plant, fährt einen sparsamen Verdränger.
0,224 l Diesel pro kW x Vollgas-Betriebsstunde ./. tatsächlich gefahrene Drehzahl x aktueller Dieselpreis = jährliche Spritkosten
Der Vollgas-Verbrauch wird anhand folgender Formel berechnet: 190 Gramm oder 0,224 l Diesel pro Kilowatt pro Betriebsstunde. Ein Volvo D6 Sechszylinder mit 370 PS/276 Kilowatt benötigt Vollgas demnach 62 l die Stunde. Nun fährt man aber der Bordkasse, der Begleitung und der Lebensdauer der Maschine zuliebe selten Vollgas. Bei wirtschaftlicher Reisegeschwindigkeit liegt der Durst der Maschine etwa bei der Hälfte, also 30 Litern. Beim zweimotorigen 8 1⁄2 t Gleiter ergeben sich dann überschlägig 60 Liter bei 20 Knoten Reisetempo.
Die Tabelle zeigt am Beispiel des genannten Verdrängers und des Gleiters die Spritkosten bezogen auf die angenommenen jährlichen Seemeilen beziehungsweise Betriebsstunden. Zahme Fahrt in Revieren mit Geschwindigkeitsbeschränkungen (Flüsse, Kanäle, Häfen, Seen) durch schmale Rinnen oder Hafenansteuerungen mit angehobenem Standgas bis 1/4 Drehzahl reduzieren den Durst deutlich.
Betriebskosten
Die Bootsbetriebskosten setzen sich aus vielen Positionen zusammen. Los geht’s mit den Papieren, unter anderem dem «Internationalen Bootsschein» des ADAC: Neuantrag (27–32 €), Verlängerung alle 2 Jahre (22–24 €). Für die beschleunigte Bearbeitung und kurzfristige Zustellung zahlt der vergessliche Eigner in Deutschland 75, für den Versand nach Italien, Kroatien, Spanien, Frankreich, Griechenland, Türkei 115 €. Auf Dauer lohnt der Eintrag in ein amtliches deutsches Schiffsregister (bis 15 m LÜA möglich, darüber vorgeschrieben). Die Kosten orientieren sich am Verkehrswert des Bootes und betragen einmalig mehrere hundert Euro.
Wird das Boot im entfernten Revier selten genutzt, sollte die Maschine alle 14 Tage laufen. Das wird von Angestellten der Marina oder einem Techniker übernommen und ist separat zum Liegeplatz zu bezahlen. Nutzt der Eigner das Boot regelmäßig, entstehen hier keine Kosten.
Herkömmliche Festkörper Schwimmwesten kauft man 1 x. Bequemere Automatikschwimmwesten sind alle zwei Jahre für circa 45 € zu warten. Wer eine 4-Personen Rettungsinsel hat, gibt für die Wartung alle zwei Jahre etwa 500 € aus.
Die Lebensdauer der Anlasser- und Bordnetzbatterien hängt vom Ladegerät, der Aufmerksamkeit des Eigners und der Marina ab. Stehen Boot und Maschine ein 3⁄4 Jahr und die Batterien wurden schlicht vergessen, sind sie bald hin. Ansonsten halten Anlasserbatterien etwa 8, Bordnetzbatterien um die 4 Jahre.
Liegt die Motoryacht ganzjährig im Süden im Wasser, muss sie zum Auffrischen des Antifouling einmal jährlich an Land. Die Propellerwelle, der Wellenbock, Propeller, Trimmklappen, Bugstrahlruder und zugewachsene Borddurchlässe sind von Muscheln zu befreien. In dieser Handarbeit stecken Arbeitsstunden und Material. Das kostet 2 x Travellift und je nach Marina auch zusätzlich zum Wasserliegeplatz den Stellplatz an Land für die Dauer der Arbeiten.
Bootspflege, laufende Wartung
Laufende Arbeiten am Motor und Getriebe nebst Einwintern der Maschine schafft ein handwerklich geschickter Eigner bei der 11 m Motoryacht theoretisch selbst. Ich habe allerdings noch nie den Skipper einer größeren, technisch aufwendigen Motoryacht gesehen, der sich das gibt. Ich sehe in den Marinas nur Techniker und deren Werkstattwagen. Für den Öl- und Anodenwechsel spart der DIY-Eigner überschlägig 600 € jährlich.
Wer auf glänzendes Gelcoat wert legt, lässt sein Boot regelmäßig zum Saisonbeginn polieren. Die Frage, ob man es jährlich machen lässt, oder beim gebraucht gekauften Boot nach der einmaligen Grundreinigung gelegentlich selbst Hand anlegt, hängt von den eigenen Ansprüchen, Geschick und Fleiß ab. Wie in Skandinavien, England oder südlichen Revieren zu sehen, machen viele Eigner über Jahre hinweg wenig. Das spart Kosten (beispielsweise 1.750 € jährlich) und Zeit.
Reparaturen und Verschönerungen
Bei der neuen oder neuwertigen Motoryacht mit wenigen Betriebsstunden ist vorerst nichts Gravierendes zu machen. Dennoch gehört der Erhalt, Reparaturen und Austausch der Ankerwinsch, des Kühlschrank-Kompressors, der Klimaanlage, Heizung, Bordtoiletten, Pumpen und Schläuche an Bord zum Laufenden. Das ist von Boot zu Boot, abhängig vom Alter und Umgang mit der Technik unterschiedlich.
Die Ausgaben für gelegentlich zu ersetzende Polster und Verdecke gehören dazu
Beim gebrauchten Boot ist rasch klar, ob Matratzen und Sitze zu erneuern sind. Niemand verbringt seine Freizeit gerne auf durchgelegenen, fleckigen oder muffigen Polstern. Kosten für die 36-Fuß Flybridge-Yacht nach Angaben des Jeanneau-Händlers Gründl: 6.500 €. Ansonsten wenden Sie sich mit dem Einrichtungsplan Ihres Bootes und circa Maßen der Kojen und Sitzgelegenheiten an einen Bootssattler oder Polsterer in der Nähe.
Eine Flybridge Motoryacht benötigt drei verschiedene Verdecke. Einen UV-Schutz für Instrumente und Sitzgelegenheiten des Außensteuerstands, ein Fahrverdeck für oben und einen Schutz für kühle Abendstunden oder regnerische Tage achtern. Je nach Revier, UV-Belastung und Pflege hält das 10–12 Jahre. Im Norden, wo die Verdecke ein halbes Jahr abgenommen sind, länger.
Schwer einzuschätzen ist die Frage, welche Reparaturen und Kosten in der Technik einer gebrauchten Motoryacht schlummern. Ob und absehbar wann eine teure Überholung der Motoren ansteht, kann ein Techniker bei laufender Maschine anhand der Farbe des Abgases, mit Blick aufs Kühlwasser und in Kenntnis der zuvor gemachten Arbeiten sagen.
Ihr Weg zu eigenen Zahlen
Anhand der Beispiele kommen Sie als angehender oder frisch gebackener Motoryacht-Eigner mit einer selbst angelegten Excel-Tabelle flott zu realistischen Zahlen: Rubriken anlegen, Zahlen aus den Angeboten übernehmen, alles in einer Übersicht zusammenfassen und Sie haben eine brauchbare Peilung.
Nach der ersten Saison wissen Sie mehr
Später werden die tatsächlich entstandenen Liegegebühren, Rechnungen der Werften/Werkstätten und Quittungen der Tankstellen mit den eingeholten Angeboten, Erfahrungswerten anderer Eigner und eigenen Schätzungen verglichen.