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Motoren und Technik8 min Lesezeit

Mein tannengrüner Kumpel

Wie ich mich 18 Jahre tapfer um einen betagten Volvo Penta bemühte

Mein tannengrüner Kumpel
Der Volvo Penta Dreizylinder von Anno 1979 beim Wechsel der Saildrive-Dichtmanschette © Swedesail

Ein Bootsdiesel braucht blasenfreien Sprit. Zieht die Leitung irgendwo unbemerkt Luft, verschluckt er sich, springt nicht an oder bleibt stehen. Vom Martyrium einer beharrlichen Störungssuche.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 05.08.2022, aktualisiert am 28.09.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • warum der Diesel mal sofort und mal unwillig anspringt
  • warum man am besten zuerst alle naheliegenden Gründe abcheckt
  • wie lästig und teuer diese Kleinigkeit werden kann
  • wie empfindlich ein Diesel auf Luft im System reagiert
  • warum Sie unpraktisch alte Filter in störanfälliger Bauweise besser bald ausbauen
  • gemischte Erfahrungen mit Monteuren und Händlern
  • wie ich letztlich gut beraten zu Potte kam

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Es ist eine Binsenweisheit, dass ein Dieselmotor blasenfrei Sprit braucht. Etwas Luft, die irgendwo durch Leitungen, Filter, Anschlüsse, O-Ringe und Schrauben ins empfindliche System gelangt, schon geht das Hüsteln und Stottern los. Viele Motoren haben eine sogenannte Rücklaufleitung, die den restlichen Sprit und auch die unerwünschte Luft zum Tank zurückführt. Bei anderen geht alles zurück zum Feinfilter. Dort sammelt sich die Luft dann im Kreislauf. Da springt die Maschine erst nach langem Nudeln des Anlassers an - und irgendwann nicht mehr. Sie muss regelmäßig entlüftet werden. Darauf, dass es schlicht am undichten Vorfilter gelegen hat, sind verschiedene Monteure und ich über Jahre nicht gekommen.

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Mein Unwort des Jahres 2002: Motor

Erinnern Sie das Jahr 2002? Damals wird in vielen Ländern der Euro eingeführt. Steve Fosset fliegt im Ballon in 13 Tagen um die Welt. Die Elbe steigt bei der Jahrhundertflut über die Ufer. Die „Ich-AG“ wird für die Deutschen zum Unwort des Jahres. Mein Unwort bestand damals aus 5 Buchstaben.

Wer genau hinschaut entdeckt die tückisch kleine Macke am oberen Rand der Vorfilterhalterung
Wer genau hinschaut entdeckt die tückisch kleine Macke am oberen Rand der Vorfilterhalterung © Swedesail

Es handelt sich um einen MD17C Dreizylinder im vertrauten Göteborger Volvo Penta-Grün. Es ist ein helles Tannengrün frischer Zweige. Ich kenne die Farbe gut, weil ich sie während vieler Bastelstunden jahrelang dicht vor der Nase hatte. Muss ich betonen, wie wichtig die optimistische Note des Grüns im Laufe der Zeit noch wurde?

Seit 2002 kümmere ich mich verschärft um diesen eigentlich zuverlässigen Weggefährten vieler herrlicher Segeltörns. Zunächst als Ich-AG, später unterstützt von verschiedenen Schraubern, Spezialisten, Lieferanten. Nachts habe ich mich in englischsprachigen Foren fortgebildet. Die etwas kundigere Ich-AG blieb dran, schraubte mit neuer Energie und voller Hoffnung auf einem höheren Level weiter.

Der alte CAV 269 Vorfilter seitlich im Motorraum
Der alte CAV 269 Vorfilter seitlich im Motorraum © Swedesail

Wie mir Experten versichern, die diesen Motor kennen oder meine Maschine gesehen haben, und einige Spezialisten, im Blaumann oder neutral gewandet, haben sie angeschaut, ist sie eine der besten. Robustes Kurbelwellengehäuse, echte Schwedenqualität statt Asienplunder und so weiter. Behalten, jährlich an neues Öl und den Impeller der Kühlwasserpumpe denken, ab und zu den Keilriemen eindrücken, nie heiß fahren. Dann hält der länger als Du. Und er lief ja auch nach dem Anspringen einwandfrei.

Die alte Vorfilterkartusche mit Dellen rechts oben und unten
Die alte Vorfilterkartusche mit Dellen rechts oben und unten © Swedesail

Nur sprang er ab 2002 leider zunehmend al gusto an. Mal so prompt wie ein Auto. Oft erst nach endlosem Genudel des Anlassers. Hüstelnd, von leisem Flehen und bettelnden Blicken begleitet. Natürlich auch abhängig von Temperatur und Feuchtigkeit. Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, dass er es mag, wenn ich mich beim Anlassen zu ihm in den Fußraum der Plicht setze, den Absteller ziehe und komplett wieder reinschiebe. So bekommt er seine Extraration Sprit. Dann erst wurde demütig mit dem richtigen Karma der Zündschlüssel gedreht. Es half. Es sei denn, ich reduzierte das Gas nach den ersten Takten allzu selbstsicher. Das nahm er übel. In jenen Jahren entstand eine symbiotische Beziehung zwischen meinem tannengrünen Kumpel und mir.

Ich war da länger dran als Merkel Kanzlerin

Warum er mal sofort ansprang und mal nicht, blieb ein Rätsel. So arbeitete ich mich von hinten bis vorn, von der Spritentnahme am Tank über die Dieselleitung zum Vorfilter, weiter zum Feinfilter Richtung Volvo vor. Ich baute neue Schläuche ein, popelte frische O-Ringe unter die Entlüftungsschrauben. Ich zog die Anschlüsse nach, pumpte und entlüftete tapfer. Ich weiß nicht, wie oft ich gepumpt habe. Meist bis zur Blase am linken Daumen. Ich hatte ja immer noch den rechten Daumen als Reserve. Dazu der aromatische Geruch unverbrannten, in die Motorbilge sabbernden Diesels. So verbrachte ich meine kostbare Freizeit.

Bereits an der Spritentnahme am Tank kann die Leitung Luft ziehen
Bereits an der Spritentnahme am Tank kann die Leitung Luft ziehen © Swedesail

Die Kompression wurde geprüft, die Kaltstartvorrichtung zerlegt, die Federn des Innenlebens ersetzt, Einspritzpumpe, Regelstange. Ach, ich habe in den Jahren viel gelernt. Erschütternd für mich die Ahnungslosigkeit und das Desinteresse eines alteingesessenen Hamburger Volvo Penta Händlers mit Vertragswerkstatt nebenan. Ich verzichte auf Einzelheiten. Es blieb beim alten Genudel und Gehüstel. Die Hoffnung, ich hätte es jetzt oder bald, motiviert ungemein. Eine Lektion in Demut.

Segelfreund Bruno, ein Freund, überlegten Arbeitens (nicht immer die Stärke meiner Ich-AG) empfahl eine Art Motortagebuch mit wichtigen Ereignissen und Maßnahmen. Muss ich erwähnen, dass es viele Seiten hat und mich trotzdem nicht auf die Spur brachte? Andere Mitsegler wandten sich irgendwann ab. Einen will ich hier erwähnen: Klaus, Zahntechniker aus Braunschweig. Ganz sympathischer Kerl aus der Abteilung stille Macher. Dieser Klaus hat eine halbe Scheune voll mit alten Autos, darunter der coole 914er Volksporsche, Ahnung, Werkzeug, Ruhe und meistens einen Ansatz. Piekfeiner Kerl, stand auf Dauer aber doch eher auf Fummeln an alten VWs statt an meinem tannengrünen Volvo. Ich schraubte einhand weiter, wechselte nochmal Schläuche, O-Ringe - und pumpte Saison für Saison vor oder nach dem Segeln tapfer Sprit. Es blieb Alles beim Alten.

Nachdem im Sommer 2020 andere Themen an Bord abgehakt waren, hatte die Ich-AG es komplett dick. Sie beschloss einen Strategiewechsel. Diesmal legte der nächste Mechaniker mir den Volvo in drei teuren Sitzungen still. So gekonnt, dass er nach dem Segeln draußen vor Fehmarn auch nach langem Genudel des Anlassers, Sprit pumpen und Entlüften keinen Mucks mehr machte. Das war eine neue Dimension. Denn irgendwann war er nach Startschwierigkeiten immer gekommen. Mittlerweile kannte ich die Pausen, die meine ermüdete Batterie für die letzten mahlenden Versuche des Anlassers braucht. Ich begriff, dass dieser Techniker eher für sein Konto als für meinen Kumpel und mich gekommen war, atmete tief durch und schrieb einen Batzen Lehrgeld ab.

Die Symbiose zwischen meinem tannengrünen Kumpel und mir war gestört. Falls Ihnen das übertrieben und etwas psycho erscheint: Sie erinnern das Jahr 2006? Stichwort Fußball-WM, deutsches Sommermärchen. Obwohl ich mich nicht so für diese seltsame Ballsportart interessiere, eher fürs Segeln und die Voraussetzung dazu, meinen grünen Volvo, hat mir ein Mitsegler das Versprechen abgerungen, pünktlich zu einem bestimmten Spiel auf Fehmarn zu sein. Was macht mein tannengrüner Kumpel? Er kennt und versteht mich. Er stellt den Tag vorher im Langelands Belt den Dienst ein. Wir müssen leider segeln und verpassen das Spiel bei einem halben Knoten weit draußen vor Westermarkelsdorf. War mir nicht ganz unrecht.

Es lag am durchlöcherten Kupferrohr der Spritentnahme im Tank. Konnte ich ja nichts für. Mein Kumpel auch nicht. Genau diese Funktion hatte ich nun im Sommer 20. Pumpen, entlüften, Genudel am Anlasser. Nichts. Kein Mucks der komplett durchgecheckten Maschine und kein Dunst warum.

Neue Spritentnahme mit oben anzuschweißender Tülle
Neue Spritentnahme mit oben anzuschweißender Tülle © Swedesail

Nun ist die Ansteuerung des engen Beckens von Lemkenhafen unter Segeln mit einem unhandlich langen Schiff eine interessante Sache, die auch ein paar Mal gutging. Ich bekam einen deutlich besseren Rat von Bernd Reinitz aus meinem Verein. Parallel – doppelt gecoacht hält besser – rief ich dazu noch Dietmar Pauls vom Bootsmotorenservice in Kappeln an.

Die Ferndiagnose: Wenn Du alles für die Maschine getan und das komplette Programm bis hin zur Kompressionsprüfung absolviert hast, bleibt nur die Spritversorgung. „Füllen Sie irgendeinen Behälter, es kann eine leere Plastikflasche sein, mit Diesel. Ziehen Sie den Schlauch vom Abgang des Vorfilters, stecken das Ende in den Behälter und gucken, was passiert.“ Wie gehabt stand ich breitbeinig über meinem tannengrünen Kumpel im Motorraum. Ich drehte den Zündschlüssel mit bewährtem Karma. Der Anlasser ackerte, das Schwungrad surrte, das grüne Trumm schüttelte sich und kam prompt mit dem vertraut kernigen Sound eines fröhlich losnagelnden Dreizylinders. Ein Jubelschrei durch den Hafen, irritierte Blicke von nebenan. Mein tannengrüner Kumpel und ich, also eigentlich waren wir immer beste Freunde.

Ich baute den alten Sch … aus, bestellte bei Pauls einen Original-Volvo Filter für Schlimmvielgeld, verbrachte den nächsten halben Tag zum Abholen des Teils im Auto und baute es ein. Seitdem springt der alte Rußrotzer von anno 1979 auch nach halbjährigem Stillstand im Winterlager an wie ein neuer. Wie ein genauer Blick unter das ausgebaute Oberteil der Vorfilterhalterung zeigt, hatte es eine eigenartige Macke. Wie die da wohl rein gekommen ist?

Der Dieselvorfilter gehörte zur Erstausstattung des Bootes aus den Siebzigerjahren. Der Typ CAV 296 besteht aus dem Oberteil, der Kartusche und dem Unterteil, das aus einem Schauglas oder Alugehäuse zum Entwässern sein kann. Sie ist bei Baumaschinen, Traktoren und Booten üblich. Anders als beim Boot ist er am Traktor gut zugänglich. Dort lässt er sich beim Filterwechsel halbwegs bequem luftdicht zusammenbauen. Ein Filterwechsel damit ist an Bord blöd. Ich war all die Jahre nie sicher, ob die Teile sitzen und dicht sind. Es gibt mehrere Möglichkeiten, dass der Vorfilter an der oberen und unteren Dichtung der Kartusche oder der Entüftungsschraube Luft zieht.

Spritentnahme mit drei Verschraubungen und drei möglichen Leckagen
Spritentnahme mit drei Verschraubungen und drei möglichen Leckagen © Swedesail

Mein Unwort des Jahres 2020: Vorfilter

2020 gibt's den Brexit, löst Joe Biden Donald Trump ab. Unworte des Jahres sind „Rückführungspatenschaften“ und „Corona-Diktatur“. Mein Unwort des Jahres besteht aus neun Buchstaben. Entnervt von der jahrelangen Störungssuche und Fummelei ist es Zeit für Version 3 der Spritentnahme am Tank. Version 2 bestand 2006 aus dem Nirorohr mit insgesamt drei Verschraubungen, also drei möglichen Leckagen. Segelfreund Uli, der mir fürs Boot und den Öttel keinen Wunsch ausschlägt, schweißt im Herbst 20 eine Tülle auf die Verschraubung der Spritentnahme. Dicht ist dicht. So, jetzt habe ich alles gegeben.

Guido, ein anderer langjähriger Segelfreund und weiterer Motor-Leidensgefährte meint, der MD17C an Bord meiner Swede 55 wäre der meist geliebte Bootsvolvo in Nordeuropa. Guido und ich kennen uns seit 2004. Ich finde, er übertreibt. Ich möchte bloß einen Bootsmotor, der anspringt und an bleibt. Jetzt muss ich bloß noch mein beharrlich erschraubtes Bastlerimage loswerden. Ich habe gehört, das soll mit Segeln ganz gut klappen.

Beim modernen Vorfilter wird der Filtereinsatz oben gewechselt. Das geht einfach und ist ziemlich sicher dicht
Beim modernen Vorfilter wird der Filtereinsatz oben gewechselt. Das geht einfach und ist ziemlich sicher dicht © Swedesail

Lassen Sie sich nichts vom Pferd erzählen!

Läden für Bootszubehör und Vertragshändler leben davon, dass sie Ersatzteile verkaufen. Welche Arbeiten tatsächlich gemacht werden müssen, welche Neuteile dazu nötig sind, überblicken Sie als Bootseigner nur, wenn Sie sich auskennen. Wie das Beispiel zeigt, kenne ich kein Patentrezept, wie man einen guten Monteur und Händler findet. Hören Sie sich vor Ort um. Letztlich ist es Zufall, an wen Sie geraten. Trotz der 18-jährigen Störungssuche, in der das Boot jeden Sommer unterwegs war und der Motor lief, trotz der ganzen Zeit und Schererei mit dem Motor möchte ich unterwegs selbst klarkommen. Natürlich wurde bei den zahlreichen Gesprächen auch mal vorgeschlagen, einen neuen Bootsmotor zu kaufen. Dann wäre die neue Maschine für 20 Tausend € eingebaut gewesen - mit dem gleichen Ergebnis. Also 20 Tausend Euro plus Filter für die gleiche Funktion?

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VG