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Der größte Mast der Welt
Über den männlichen Wettstreit um den längsten Mast der Welt
Seit einer Weile gibt es bei Segelyachten einen unübersehbaren Wettstreit um den größten Mast. Die schiere Länge ist Kriterium, der Hingucker in Buchten und Marinas. Wie beim Kirchturm oder Hochhaus geht es angesichts endlos himmelwärts ragender Takelage um Nackenstarre und Ehrfurcht.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 19.05.2015, aktualisiert am 08.05.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Einblicke in die Gigantomanie und Takeltechnik heutiger Megayachten
- Die Vor- und Nachteile solcher Takelagen
- Wie viel der Generationswechsel von Alu- und Karbonmasten bringt
- Wie moderne Takeltechnologie beim stehendem Gut Yachten zusätzlich entlastet
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„Importance and size are brothers“, bemerkte Harold „Mike“ Vanderbilt einmal, einer der großen Müßiggänger unter der Sonne. Vanderbilt vertrieb sich die Zeit mit Bridge und der erfolgreichen Verteidigung des America’s Cups in der gigantischen J-Class. Er verstand etwas von der menschlichen - und männlichen - Psyche.
Als Ende der Achtziger die J-Class „Endeavour“ fertig wurde, war zunächst unklar, wie sich deren 50 m langer Mast leicht und haltbar bauen lässt. Er entstand aus versetzt miteinander verschweißten Aluminiumblechen mit nach oben hin immer dünneren Wandstärken. Das war damals der Stand der Technik.
2004 wurde mit „Mirabella V“ der vorerst und wohl auf absehbare Zeit grösste Einmaster der Welt aufgetakelt, und zwar mit einem sage und schreibe 90 m langen Karbonmast. Karbon halbiert gegenüber Alu das sogenannte Netto-Röhrengewicht für den Mast, das heißt ohne Stagen, Wanten, Fallen oder Zubehör wie Salinge, Satcom-Kuppeln oder Radar. Dadurch sind solche gigantischen Riggs überhaupt erst möglich. Es bleiben Tonnen allein für die Takelage an Land.
Je leichter das Rigg, desto aufrechter segelt das Schiff. Entsprechend ruhiger liegt es im Wasser. So ist auch noch weniger Ballast nötig und der Tiefgang wird geringer.
Das Top ragt 88,5 Meter über Wasser. Damit ist jede für seegehende Schiffe erreichbare Brücke unpassierbar. Das Boot geht mit 2.385 Quadratmetern, verteilt auf Groß und Fock, an den Wind. Die Genua ist mit 1.600 qm das größte Segel der Welt. Zum Vergleich: Die „Gorch Fock“ setzt 2.000 Quadratmeter an drei Masten, verteilt auf 17 Tücher.
So beeindruckend solch ein Klopper in der Ankerbucht oder Marina ist: Die Gigantomanie hat ihren Preis. Reffen oder Segelbergen dauert auch mit moderner Technik wie Motorwinschen und Rollanlagen lange. Es muss vorausschauend gesegelt werden.
Große Yachten motoren oft von einem Revier zum anderen. Sei es für den nächsten Chartertörn. Sei es, weil der Eigner das Schiff zu einem bestimmten Termin an einer vereinbarten Destination erwartet. Das müssen die Crews mit straffen Fahrplänen hinkriegen.
Leider lässt bereits etwas Seegang bei flotter Fahrt mit Maschine die Schwungmasse der riesigen Takelage bedenklich taumeln. Das Top eines stampfenden Schiffes drückt den Bug tief ins Wasser. Der Mast biegt und wippt. Die Maschine wird bereits bei leichter Dünung gedrosselt. Auch deshalb wird mit moderner Takel Technologie jetzt so leicht wie möglich gebaut. Natürlich mit entsprechenden Sicherheitsreserven.
Besonders schwer wogen beim „Mirabella V“ Mast die Stagen und Wanten, die den Mast in der Senkrechten halten. Allein die Wanten des Rod-Riggs aus massivem Stahl hatten 2004 den Durchmesser einer Cola-Dose. Aber anlässlich eines Eignerwechsels 2013 und der Modernisierung von „Mirabella V“, die nun „m5“ genannt wird, konnte massiv das Rigg-Gewicht vermindert werden. Dank eines Systemwechsels von Stahl zu Faserverbund-Kabeln und Karbon- statt Aluröhren für die drei Vorsegel Rollanlagen konnten beeindruckende 14 Tonnen an Land bleiben.
Möglich wurde dies mit dem Knowhow eines Schweizer Spezialisten, der Epoxidharz-imprägnierte Kohlefaserstränge statt Stahlstangen, Titan- statt Nirobeschläge und leichte Komponenten für die Rollanlagen lieferte. Die Klassifikationsgesellschaft DNV GL hat die Technologie nach rigorosen Tests zugelassen.
Experten wie der Schweizer Mastbauguru Peter Andrin Steiner berichten, dass sich der 90 m Mast selbst nochmals deutlich leichter bauen lässt. Die Entwicklung geht also weiter. Und es ist nur eine Frage des Egos und Know Hows, bis der Mast der „m5“ durch ein nochmals längeres Exemplar getoppt wird.