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Welches Segelboot für Küstengewässer?

Am Wind-tauglich und reffbar sollte das Boot sein

Welches Segelboot für Küstengewässer?
Leinen los für die ersten Segelausflüge entlang der Küste © unsplash.com / Matthieu Da Cruz

Früher oder später möchte jeder Segler mal die Enge und Sicherheit des Binnengewässers verlassen, die Weite und den langen Atem des Meeres spüren, längere Strecken segeln, sich an der Küste ausprobieren.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 02.12.2019

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Gesichtspunkte zur Wahl eines küstentauglichen Segelbootes
  • warum Segelboote für Einsteiger leider arg luvgierig sind
  • wie wichtig Reffen ist
  • welche Freiheit trailerbare Boote bieten und was man dabei wissen sollte
  • Tipps zur Auswahl eines gebrauchten Küstenkreuzers
  • welche Ausstattung unverzichtbar ist

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Ich erinnere, wie meine Eltern Ende der Sechzigerjahre mit meinem Bruder und mir im damaligen Jugoslawien von der Insel Losinj zu einem gegenüberliegenden Eiland namens Susak segelten. Zuvor wurde auf der Bigge-Talsperre im Binnenland auf einer Conger-Jolle gesegelt. Nun sollte es mal aus der idyllischen Cikat Bucht hinaus aufs Meer gehen. Diesmal mit einem etwas seetüchtigeren Boot: Für diesen Tag wurde ein 7 m Kajütboot vom Typ Marina 23 ausgeliehen.

Es wehte ein kräftiger Nordwind, die Segel hingen in den Lieken, Reffen ging irgendwie nicht. Vielleicht wusste mein Vater auch nicht, wie es geht. Das Boot war entsetzlich luvgierig und kaum auf Kurs zu halten. Wie ein Ochse zog mein Vater an der Pinne, um den Bug Richtung Susak zu halten. Es war ein bang absolvierter Ritt. Heute machte ich mir an Bord meines Bootes über sechs Meilen am Wind kaum Gedanken. Einmal dicht holen, es rauschen lassen, vor Susak das Boot in den Wind drehen, Segel wegpacken und im ringsum geschützten Hafenbecken anlegen.

Dieser fünf Jahrzehnte zurückliegende Ritt beantwortet die Frage schon mal ansatzweise, welches Boot sich überhaupt für Segelanfänger in Küstengewässern eignet. Es sollte ein Kielboot sein. Es sollte Unterschlupf (Schutz) in einer kleinen Kajüte bieten. So sind die Mitsegler auf Dauer vor Nässe und Kälte geschützt.

Zwei Kojen mittschiffs wären schön. Entscheidend aber ist: Das Großsegel sollte zu verkleinern, also reffbar, sein. Wichtig für die Sicherheit ist, dass das Boot einigermaßen am Wind segelt. Denn sonst treibt einen der kräftige Wind irgendwo hin. Bei einer gepflegten Bora hat man in der Adria sonst schlechte Karten.

Man sollte es bei aufkommendem schlechtem Wetter auch gegen an in die nächste Bucht oder in einen Hafen schaffen. Damit tut sich jeder Kleinkreuzer naturgemäß schwer, vor allem im Seegang. Ab fünf Windstärken macht man damit im offenen Meer kaum noch Luv gut. In einer Bora wird es dann gefährlich.

Das Boot sollte eine selbstlenzende, sprich sich automatisch leerende Plicht haben. Ein geschlossener Eingang zur Kajüte (sei es mit einem stufig angehobenen Brückendeck oder einem einsetzbaren Schott) und Auftriebskörper sind ebenso wichtig wie ein funktionierender Außenbordmotor und genug Sprit. Denn wenn Sie mit Ihrem Seglerlatein am Ende sind, nass, durchgefroren und müde, dann schiebt der Hilfsquirl Sie hoffentlich auch gegen den Wind zum Ziel. Das ist nicht besonders seemännisch, für die ersten Segelexperimente und eigenen Schritte im Küstengewässer entscheidend. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch ein gescheiter Anker mit reichlich Leine für die fünf- bis siebenfache Wassertiefe, damit er das Boot bei reichlich Wind überhaupt an Ort und Stelle hält.

In kleine Kajütboote haben Konstrukteur und Werft eine spür- bis unüberwindbare Luvgierigkeit für den Fall eingebaut, dass Sie mit zu viel Tuch und entsprechender Schräglage (Krängung) segeln. Deshalb sollten sie wissen, wie man das Großsegel verkleinert (refft). Lassen Sie es sich nicht bloß mal nebenbei im Hafen zeigen. Machen Sie es selbst. Und zwar nicht nur proforma ein- oder zweimal, um einer lästigen Pflicht Genüge zu tun, sondern möglichst oft bereits bei auffrischendem Wind. Erst das fünfte Reff sitzt. Dann haben Sie gelernt, wie es so gebunden wird, dass das Boot mit dem verkleinerten Groß beim Kurs hoch am Wind noch vorankommt. Wichtig ist dabei die Reihenfolge. Zunächst wird der Fall so weit gefiert, dass das Segel unten entlang der Reffreihe wie ein Unterliek auf Spannung gebracht worden kann. Ist es vorne am Lümmelbeschlag eingehangen und von der Großbaumnock nach hinten gezogen, kann es gesetzt werden. Wird diese Reihenfolge nicht eingehalten, steht es wie ein Sack. Ein bauchig durchhängendes Segel aber ist das Letzte, was man bei viel Wind braucht. Es steht nicht und drückt das Boot unnötig auf die Seite. Viel Schräglage geht allen an Bord auf die Nerven.

Ich packe auf meinem Boot seit Jahrzehnten ab fünf Windstärken ein. Es schont das Material, die Nerven und Sie sind mit dem guten Gefühl unterwegs, die Situation zu beherrschen. Das ist für das Wohlbefinden wichtig.

Die Erkenntnis meiner Eltern nach dem Susak-Ritt war: «So ein Murksboot kommt nicht in Frage». Es ist möglich, dass sie dem Boot unrecht taten, zumal wir es ja damals wenigstens hin und auch wieder zurückgeschafft haben. Vielleicht war das Ruderblatt nicht ganz heruntergeklappt. Wie jeder Jollensegler weiß, ist ein Boot dann kaum zu beherrschen.

Wie auch immer: Bevor Sie sich für das nächstgrößere Boot Ihres Seglerlebens entscheiden: Probieren Sie die in Frage kommenden Bootstypen bei Wind aus. Segeln Sie damit eine Weile hoch am Wind. Läuft es, macht es Spaß? Wie ist das Gefühl an der Pinne? Kommen nicht allein Sie, sondern auch die Partnerin/Frau damit klar?

Bei der Gelegenheit, ein Gesichtspunkt, der gern übersehen wird: Sollten Sie in einem Flachwasserrevier segeln oder beim Küstensegeln Wert auf erreichbare Unterschlüpfe in Buchten und Häfen legen, achten Sie auf den Tiefgang. Je weniger Tiefgang, desto besser. Schauen Sie sich das Revier, in dem Sie segeln, daher genau an und erkundigen Sie sich bei Seglern, mit welchem Tiefgang man gut klarkommt.

Ein Kielschwerter, also ein Boot mit einem Kielstummel und darin sitzendem Schwert, oder der Kimmkieler, also ein Boot mit zwei nebeneinander angebrachten Kielen, oder der Hubkieler bieten brauchbare Kompromisse. Hinsichtlich des erwähnten Sicherheitsaspekts, akzeptabler am Wind Segeleigenschaften bei Wind und Wellen ist der Hubkieler die beste Variante. Seine Nachteile: der Hubmechanismus beansprucht unter Deck Platz und man muss sich um die Technik kümmern. Ideal in dieser Hinsicht ist der früher beliebte Jollenkreuzer. Deren Tiefgang bewegt sich bei angehobenem Schwert und Ruderblatt im Zentimeterbereich. Damit sind Übernachtungen im Watt, in idyllischen Bodengewässern oder ringsum perfekt geschützten Buchten drin. Zum Segeln in Küstengewässern ist der Jollenkreuzer jedoch nur dem versierten Segler zu empfehlen. Das Boot kann kentern. Es lässt sich ohne fremde Hilfe nicht aufrichten.

Ein nicht zu unterschätzender Gesichtspunkt ist die Möglichkeit, das Boot huckepack auf dem Anhänger mitzunehmen. Im Idealfall hat man ein Boot für das heimatliche Binnenrevier und den Segelurlaub irgendwo an der Küste. Endlos viele Gewässer von Skandinavien über Ost- und Nordsee, Holland, Frankreich, Spanien, Italien bis nach Kroatien stehen mit dieser Variante offen. Die Zuglasten für Autos samt Anhänger (gebremst oder ungebremst) geben anhand des Gewichts dabei die Bootsgröße vor. Bedenken Sie auch die Zuladung für das Gepäck und zusätzliche Ausrüstung, den Außenbordmotor und all die Vorräte für den Sommer-Törn. Diese schränken die Segeleigenschaften ein. Je kleiner und leichter das Boot, desto gravierender wird das. Der Unterschied zwischen netto und brutto wird beim Kleinkreuzer meist unterschätzt. Bereits eine überschlägige Daumenkalkulation zeigt, wie viel zusätzlich an Bord kommt.

Kaufen Sie keinen Exoten, sondern ein gängiges Markenboot, das in großer Stückzahl gebaut wurde oder idealerweise noch wird. Dann bekommen Sie dazu sehr wahrscheinlich erstens noch original Ersatzteile, zweitens gibt eine Community, die in einem Forum fast jede Frage zum Bootstyp beantwortet oder schon beantwortet hat.

Wenn Sie ein gebrauchtes Boot kaufen, achten Sie auf zentrale Gesichtspunkte:

  • ist das Boot dicht (an Fenstern, Luken, Püttingen, Beschlägen)
  • beim Kielschwerter: Zustand des Bolzens und der Aufhängung des aufholbaren Schwertes angucken, ebenso den Flaschenzug zum Bewegen des Schwerts
  • beim Hubkieler: ist der Mechanismus gesund, Korrosionsspuren, etwaige Schäden durch Aufsetzen. Zustand von Winsch und Draht zum Anheben des Kiels
  • Zustand der Ruderanlage (Befestigung der Scharniere, Pinne, des einholbaren Ruderblatts)
  • Zustand der Segel, ist das Großsegel reffbar?
  • Zustand des Riggs (Salinge, Wanten, Stagen, Lochbleche und Spanner zum Masttrimm)
  • Alter und Funktion (Anspringen) des Außenborders
  • ist wichtiges Zubehör wie Paddel, Lenzpumpe, Anker und Ankerleine vorhanden und brauchbar?

Ein Vorteil des kleinen handlichen Kajütbootes ist, dass sich die meisten Dinge für kleines Geld ergänzen oder reparieren lassen.

Dann heißt es Leinen los für die ersten eigenen Segelausflüge entlang der Küste. Dank moderner Wetterapps ist heute absehbar, wie viel Wind und Seegang es aus welcher Richtung im Lauf des Segeltages gibt. Die größte Hürde für Segeltörns auf dem Meer aber sind Unsicherheit und Angst. Das ist zunächst einmal gesund und richtig. Je länger und häufiger Sie ablegen, wertvolle Erfahrungen sammeln, desto besser kriegen Sie Ihr Boot und die eigene Unsicherheit in den Griff. Das Tolle am Küstensegeln mit kleinen Booten ist die Nähe zum Wasser und die Freiheit, Buchten anzusteuern, die praktisch jeder größeren Yacht aufgrund ihres Tiefgangs nicht anlaufen kann.

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VG