Seemannschaft7 min Lesezeit

Alle in einem Boot

Redensarten und Sprüche rund um den Wassersport – natürlich mit Tiefgang!

Alle in einem Boot
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Redensarten, Sprüche und Sprichwörter, die aus dem Meer direkt in unsere Sprache flossen. Aufklärendes mit mehr oder weniger Tiefgang zu einem Thema, über das man sich viel zu selten Gedanken macht. Oder zu oft?

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 15.03.2017, aktualisiert am 03.01.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Entstehung und Hintergründe einiger Sprüche und Redensarten in der Schifffahrt und im Wassersport
  • Was bedeutet eigentlich „sich abschotten“?
  • Und wieso waren Sie neulich „voll wie eine Strandhaubitze“?
  • Es gibt einige Überraschungen – machen Sie sich darauf gefasst, dass wir jeder auf den Grund gehen!

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Wie oft sagen wir nicht Sätze, Wörter und Redensarten einfach so dahin, ohne uns Gedanken über ihre Herkunft oder ihre wahre Bedeutung zu machen? Einige Sprachforscher bezeichnen dies als das «Mysterium der Sprache», weil sie annehmen, dass dabei das Unterbewusstsein eine zentrale Rolle spielt. Es ist offenbar ganz natürlich, dass wir Inhalte aus den Themenbereichen, die uns besonders am Herzen liegen, auch häufiger in unser Denken und Reden einbringen, als solche, die wir als uninteressant empfinden. So reden etwa berg- und erdverbundene Menschen häufiger davon, dass sie «fest verwurzelt» mit ihrer Heimat sind oder «Berge versetzen werden», um ihrer Liebsten nahe zu sein. Ganz zu schweigen davon, dass sie «Bäume ausreißen könnten», weil sie vor Kraft und Saft nur so strotzen.

Doch nichts ist mit Redensarten, Sprichwörtern oder Sprüchen so sehr in unsere Sprache buchstäblich eingeflossen, wie das Meer, respektive die Seefahrt, die Seefahrer und im Speziellen das Leben an Bord von Schiffen und Booten – die wiederum auf den Sieben Meeren unterwegs sind.
Wobei man noch nicht einmal ein «alter Salzbuckel» sein muss, um Redensarten wie «vor Anker gehen» oder «Tiefgang haben» zu benutzen. Sie sind mittlerweile im Sprachgebrauch ganz selbstverständlich geworden; nicht nur in der deutschen, sondern in nahezu allen Sprachen, die auf unserem «Blauen Planeten» gesprochen werden. Von (leicht nachvollziehbaren) Ausnahmen wie Tibetisch, Nepali oder Quechua einmal abgesehen.

Das hat Tiefgang

Unter den Hunderten von Meeresredensarten und Sprichwörtern sind natürlich solche dabei, die sich auch für den Nicht-Wassersportler sozusagen von selbst erklären. Wenn etwa auf der Börse «Flaute herrscht», dann weiß man einfach, dass nix los ist und höchstens mal ganz vorne am Horizont sich etwas auf der Oberfläche «kräuselt». Kein Wind, kein Antrieb, kein Gewinn! Und wenn sich genau darüber jemand lautstark ereifert, will man ihm oder ihr möglichst rasch «den Wind aus den Segeln» nehmen.

Ähnlich verhält es sich, wenn man «auf dem Trockenen sitzt». Jeder stellt sich dabei gleich ein Schiff vor, das sein Element auf fahrlässige Weise verlassen hat und dabei «op schiet» gelaufen ist. Man kann nicht mehr vor oder zurück und muss bessere Zeiten, im besten Fall die Flut abwarten. Noch so ein selbsterklärender Begriff ist «Schiffbruch erleiden» – den kann man tatsächlich auch fernab aller Boote und Yachten, mit einem Unternehmen, das mitten in der Sahara Rodelschlitten verkauft.

Bei einer Rede, die «hohe Wellen schlägt» dürfte jedem klar sein, dass dem Gesagten turbulente Diskussionen folgen werden. Wobei ein regelrechter Gefühlstsunami über die Anwesenden schwappen kann, aber lassen wir das.

Mal wieder überhaupt kein Land sehen

Befindet man sich in einer Situation oder Lebenslage, in der man «kein Land sieht» ist das schon weniger eindeutig: Gerade für viele Wassersportler ist dies eigentlich ein Moment, den sie mitunter seit Monaten herbeisehnten. Im Sprachgebrauch wird so jedoch eine ausweglos erscheinende, vielleicht sogar auch hoffnungslose Situation beschrieben. So wie sie Seefahrer nach Monaten auf See ohne jegliches «Land in Sicht» empfinden mögen.

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Interessanter wird es mit dem häufig verwendeten Begriff «einen Abstecher machen». Der wurde aus dem Niederländischen nach Gehör eingedeutscht (afsteeker = abstoßen) und bezeichnet das Abstoßen mit dem Tender vom «Mutterschiff». Und da das Übersetzen mit einem Beiboot meist nur kurze Strecken waren, werden solche heute gerne als Abstecher bezeichnet.

Vorher musste man dafür nicht «auf dem falschen Dampfer» gewesen und ebenso wenig ein «Lotse» sein, «der von Bord geht». Vielleicht aber jemand, der die anderen «ins rechte Fahrwasser» leitet, obwohl genau dieser Begriff ja politisch häufig missbraucht wird.

Dann haben wir einen Abstecher gemacht

Was «voll wie eine Strandhaubitze» zu bedeuten hat, weiß jeder. Und dass «Strand» auch irgendwie was mit Meer zu tun hat – geschenkt! Doch um die Redensart vollständig zu verstehen, muss man wissen, dass die Strandhaubitzen früher die größten Geschütze waren, die von der Artillerie aufgeboten wurden. Und um die gegnerischen Schiffe weit draußen auf See mit ihrer tödlichen Munition zu erreichen, mussten die Strandhaubitzen eben bis an den Rand mit Explosivem gefüllt werden.

Bleiben wir noch ein wenig im Militärjargon. Den berühmten «Schuss vor den Bug» bekommen im Laufe ihrer Karriere häufig Sportler, Politiker oder VIPs immer dann, wenn sie sich zu weit vorgewagt haben, verbale Warnungen ganz offensichtlich nichts mehr nützen und jemand in die Schranken gewiesen werden muss. Dann schießt die Marine tatsächlich vor den Bug des «Aufgebrachten» und demonstriert (auch heute noch etwa bei Piraten), dass die Bordkanoniere ihr Handwerk verstehen.

Gleich wurde eine Breitseite abgefeuert

Nutzt das immer noch nichts, dauert es meist in Streitgesprächen und wahren Redeschlachten nicht lange, bis eine «Breitseite abgefeuert» wird. Soll heißen: Die volle Ladung der Hälfte aller an Bord befindlichen Kanonen (die ja über die Länge des Schiffes an den seitlichen Bordwänden aufgereiht waren) wurden auf das gegnerische Schiff abgefeuert. Was meist mit einem Desaster für den Gegner endete.

Jeder Wassersportler ahnt, was es bedeutet, wenn sich jemand «abschottet» oder die «Schotten dicht macht». Sitzt auch nur einer in der leicht angezwitscherten Gruppe, der weder mittrinkt noch mitlacht und nur vor sich hin grummelt, dann kommt die Stimmung nicht in den Fluss bzw. der Funke will einfach nicht überspringen. Genauso ist es auch mit den Schotten auf dem Boot: In einzelne Kammern abgeteilt, ist das Risiko, dass etwa ein Feuer oder Wasser sich über das ganze Schiff ausbreiten, deutlich geringer als ohne Schotten.

Alle waren in Feierlaune, nur der eine Typ hat sich abgeschottet

Ganz und gar nicht so naheliegend sind die folgenden Beispiele. Vor allem Wassersportler dürften stutzig werden, wenn sie die Redensart «durch den Wind sein» etwas genauer betrachten. Denn eigentlich ist man doch «auf der sicheren Seite», wenn man etwa nach einer Wende von Backbord- nach Steuerbord-Bug sein Boot durch den Wind gebracht hat und es nicht mit killenden Segeln «im Wind» zurücktreibt. Man sollte sich jedoch vor Augen halten, dass früher auf Großseglern eine simple Wende mindestens ein bis zwei Stunden Arbeit für die gesamte Crew bedeutete. Die verständlicherweise nach so einem Manöver mit den Nerven und körperlich «am Ende war»… eben durch den Wind!

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Der rote Faden bis zum bitteren Ende

Wer hätte gedacht, dass der «Rote Faden», der sich sozusagen als Erkennungsmerkmal durch das Gesprochene oder Geschriebene zieht, tatsächlich in der britischen Marine existierte? Nein, nicht dieser mutige Grieche, der sich mit einem ausgerollten Faden in das Labyrinth todbringender Ungeheuer wagte, ist der Urheber dieses Begriffes. Sondern findige Tauwerksmeister, die den noch vor Hundert Jahren grassierenden Tauwerksklau in der britischen Marine «eindämmen» wollten: Sie flochten einen «Roten Faden» so in die Taue der königlichen Flotte, dass man denselben immer erkennen, aber nicht aus dem Tauwerk heraus dröseln konnte, ohne das Tau zu zerstören. Ein «Roter Faden», der sich «bis zum bitteren Ende» durch die gesamte Flotte zog.

Das Ende, das bittere, war nicht mehr fern

Sie meinen, «Bitteres Ende» komme nun aber wirklich aus der Landwirtschaft und hat irgendwas mit Früchten zu tun, die gegen Ende des Verzehrs «bitter» schmecken? Und seien es nur die zu Beginn süßen und am Ende einer Liaison oft als bitter empfundenen Äpfel aus dem Paradies? Ziemlich weit gefehlt, denn auch dieser Begriff kommt ganz offensichtlich aus dem Seemännischen: Im Plattdeutschen und Englischen wurden die Poller an Deck, an denen die Ankertaue fest vertäut waren, «bitt» genannt. Wenn man indessen die Anker, Kette und Taue fast vollständig zu Wasser gelassen hatte, erschien am Ende der Taue eine Markierung. Die wiederum bedeuteten: Schluss, Ende, der Anker hat nicht gegriffen, denselben möglichst sofort einholen und das Ganze an einer anderen Stelle nochmals von vorn! So war das «Bitt»-Ende oft der Anfang neuer Plackerei. Aus «Bitt» wurde schließlich «bitter»… und schon haben wir unser «bitteres Ende».

Seh’ ich etwa aus wie eine «Fregatte?»

Auch wenn es sich etwas «vorsintflutlich» anhören mag, hat man heute noch eine «wahre Odyssee hinter sich», wenn man eine verwirrend lange Strecke, mit vielen Abzweigungen, Unwägbarkeiten, Überraschungen und Absonderlichkeiten erlebt hat. Und selbst wenn man(n) einer von diesen Herren ist, die gerne mal denken «nach mir die Sintflut», dann sollte man dennoch niemals «so weit aus dem Ruder laufen» und seine Holde eine «aufgetakelte Fregatte» nennen. Das ist nämlich mittlerweile kein Kompliment mehr, wenn es auch ursprünglich im Englischen tatsächlich eine Art Kosewort für Schiffe gewesen ist.

Viel Butter am Fischgericht

Aber «beim Klabautermann», schließlich sitzen wir doch «alle in einem Boot». Und jetzt mal «Butter bei die Fische»: Wer wird schon solch einen Unfug «vom Stapel» lassen?

Quellen:

Duden Wortherkunft
Woxipedia
Wikipedia
Röhrich: Lexikon sprichwörtlicher Redensarten

Wer sich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, dem sei das erfrischend geschriebene und lehrreiche Buch «Butter bei die Fische» von Rolf-Bernhard Essig empfohlen (mare Verlag)

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