Praxis13 min Lesezeit

Maß halten

Warum Sie auf das tatsächliche Gewicht Ihres Bootes achten sollten

Maß halten
Bücher, Werkzeug und alle erdenklichen Ersatzteile. Es kommt im Laufe der Jahre einiges zusammen. © boat24.com

Wie Eigner mit gedankenloser Zuladung die Fahr- und Segeleigenschaften ihrer Boote zur Strecke bringen. Worauf der Bootskäufer achten sollte. Wie Sie auf Dauer gut fahren.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 10.12.2021, aktualisiert am 02.03.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • warum übliche Zahlen zur Verdrängung optimistisch sind
  • der gravierende Unterschied zwischen «Nettogewicht», «half load», «fahrbereit» und «urlaubsklar»
  • wie viel Zuladung beim Tourenboot an Bord kommt
  • wie Bootsgröße und Zulademöglichkeit zusammen hängen
  • wie anspruchsvolle Konstrukteure und Werften aufpassen
  • Tipps zur Wahl der geeigneten Bootsgröße und Bootstyps anhand Gewichtsgesichtspunkten
  • was Sie als Bootseigner auf Dauer tun können

Artikel vorlesen lassen

Die Segeltragzahl als Agilitätsfaktor

Bei Segelyachten gibt es mit der sogenannten Segeltragzahl einen aussagekräftigen Wert. Hier wird die Segelfläche mit dem Gewicht mit folgender Formel verrechnet: Zweite Wurzel aus Segelfläche in Quadratmetern geteilt durch die dritte Wurzel der Verdrängung in Tonnen. Bei der Segelfläche wird die übliche Am Wind-Besegelung mit 100 Prozent Vorsegelgröße (Fock statt Genua) berücksichtigt.


Foto


Herkömmliche Fahrtenyachten haben eine Segeltagzahl von 3,5 – 4, moderne Boote 4,3 – 5. Bei Regattabooten liegt er um die 6 und darüber. Es lohnt sich, diesen Wert einmal für das in die Auswahl genommene Boot selbst zu berechnen. Die Segeltragzahl eignet sich bestens zum Vergleich verschiedener Schiffe.

Motor- und Segelyachten werden als schwimmende Residenzen für die Auszeit auf dem Wasser genutzt. Aus gutem Grund, denn nirgendwo sonst gewinnt man besser Abstand vom Arbeits- und Landleben. Jeder, der einmal diesen entscheidenden Schritt an Bord gemacht hat, sucht den Effekt immer wieder. Am liebsten jedes Wochenende.

Damit man sich in dieser Welt ringsum wohlfühlt, wird gerne etwas von Zuhause mitgenommen. Außer Lebensmitteln, Getränken und Gepäck die Kaffeemaschine, der gewohnte Milchschäumer, Bücher und Werkzeug. Außerdem alle erdenklichen Ersatzteile. Da kommt im Laufe der Jahre einiges zusammen.

Die Liste der Add-ons und Nice-to-haves ist lang

Zudem basteln viele Eigner liebend gerne. Es macht ja auch Spaß, sein Boot zu verändern, das nächste Gadget zu montieren. Antennen, Radar, Geräteträger, Satcom-Schüsseln, Solarpaneelen, Windgeneratoren, Gangway, Grill kommen hinzu. Ebenso das Beiboot mit Davits achtern, Außenborder und das Standup-Paddling-Board für die Bucht. Bereits Boote mittlerer Größe werden heute schon mit Mikrowelle, Geschirrspüler und Waschmaschine angeboten. Dieser Komfort war vor wenigen Jahren noch großen und sehr großen Booten, den sogenannten Megayachten, vorbehalten.

Moderne Yachten bieten beeindruckend viel Platz unter Deck. Das Volumen unter Deck verleitet dazu, mehr an Bord zu packen, als den Fahreigenschaften guttut. Gerade die heute beliebten Mehrrümpfer und sogenannten Monomarane mit ihrem beeindruckenden Lebensraum laden dazu ein.

Das Problem: Die Boote sind oft ab Werft schon schwerer als gedacht und sie nehmen im Lauf der Jahre wie beschrieben unweigerlich zu. Der Antrieb in Gestalt der Segelfläche oder die Motorisierung aber bleibt.

Schlanke und sportlich gesegelte Boote reagieren empfindlich auf Zuladung
Schlanke und sportlich gesegelte Boote reagieren empfindlich auf Zuladung © Swedesail

Wie sehr das Boot heute als Wochenendhaus mit Keller gesehen wird, zeigt sich beim Verkauf, wenn der neue Eigner das Schiff mit einer Art Inventur in Besitz nimmt. Es ist unglaublich, was da alles zum Vorschein kommt. Neulich holte ein Freund eine komplette Propellerwelle mit Ersatzschraube aus seinem gebraucht gekauften 9 m Motorboot. Das sperrige und schwere Teil war vom früheren Eigner über Jahre an Bord des Halbgleiters mitgeschleppt worden. Es hätte eines Tages nach einer Grundberührung vielleicht gebraucht werden können.

Viele Segler halten es genauso. Sie fahren eine ganze Werkstatt mit Werkbank, Schraubstock, Halterung für die Standbohrmaschine etcetera spazieren. Ich hatte jahrelang einen unhandlichen, selten gebrauchten Kielbolzenschlüssel unter den Salonsitzen liegen. Nach wie vor habe ich zwei schwere Schubladen mit Werkzeug und eine weitere für die Elektrik an Bord.

Natürlich ist es richtig, das Schiff für Reparaturen auszurüsten, wie sie bei einem mehrmonatigen Törn in ferne Gewässer vorkommen. Bei der üblichen Nutzung im Hausrevier am Wochenende und dem Sommertörn ist solcher Ballast in der Garage, im Keller oder Speicher besser aufgehoben.

Wie viel Werkzeug und welche Ersatzteile müssen an Bord sein?

Neulich meinte ein Nachbar zum Thema Decksbelag, die 200 Kilo zusätzlich für ein schickes Teakdeck spielten bei einem 8 1/2 t Schiff keine Rolle. Das kann man so sehen. Es sind ja auch ganze 2 Prozent. Aber das Teakdeck ist nur eines von zahlreichen Extras, die die ursprünglich vom Konstrukteur mal vorgenommenen Berechnungen zum Nettogewicht des Bootes zur Makulatur machen. Wer nicht aufpasst, packt flott 20 bis 25 Prozent der geplanten Verdrängung dazu.

Da liegt das Boot dann tiefer im Wasser, der Ballastanteil (das Verhältnis des Kielgewichts zum Gesamtgewicht der Yacht) schrumpft. Das Boot wird träge. Deshalb überlegen Sie bei jeder Änderung und jedem Extra wie schwer es ist. Hinzu kommt das Material zur Montage, den Unterbau und die Peripherie. Beim neuerdings gerne nachgerüsteten Bugstrahlruder denkt kaum jemand an die zusätzliche Batterie und schweren Kabel mit den nötigen Querschnitten.

Der Bremerhavener Yachtkonstrukteur Torsten Conradi hat einmal ausgerechnet, was das auf Dauer bedeutet. Er geht davon aus, dass ein übliches 13 m Tourenboot durch nachträglich montierte Extras jedes Jahr etwa ein Prozent schwerer wird. Mit gravierenden Folgen für die Agilität des Bootes, den Segelspaß und auch die Sicherheit.

Kleine bis mittelgroße Boote leiden besonders unter Zuladung

Je kleiner das Boot, desto deutlicher macht sich die unverzichtbare Zuladung beim Urlaubstörn durch Gepäck, Vorräte, Wasser und Sprit bemerkbar. Das kann beim überladenen Kleinkreuzer gefährlich werden. Ich erlebte in den Siebzigerjahren mal mit einem 7 Meter Kielschwerter bei einem Schwedentörn, wie die Am-Wind-Segeleigenschaften sprichwörtlich absoffen. Es waren Lebensmittel und Getränke für 4 Wochen an Bord. Ab vier Windstärken machte das Boot kaum noch Luv gut. Entsprechend vorsichtig wurde der Törn geplant. Viel Wind und Welle von vorn durfte es auf Kursen entlang einer Leeküste nicht geben. Wir dümpelten wie ein Rahsegler durch die Gegend.

Wer mit einem Kleinkreuzer lange Törns plant, sollte sich allein der Sicherheit und des Vorankommens halber bei der Zuladung beschränken. Beim mittelgroßen Tourenboot, als mittlere Größe werden heute um die 13 m gesehen, oder beim größeren Schiff macht sich zu Zuladung durch Extras, volle Tanks, Proviant und Gepäck weniger bemerkbar.

Vorsicht mit der Konstrukteurstonne

Nettogewicht

Beim Entwurf eines Bootes gibt es zunächst das vom Konstrukteur anfangs berechnete Nettogewicht für das leere Boot. Dieses erweist sich nachher leider als etwas bis arg optimistisch. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Werft baut das Boot sicherheitshalber schwerer, ohne die Gewichtsverhältnisse zu prüfen. Oder die Konstruktion wird bei der Entwicklung des Bootes geändert. Hinzu kommen Extras, die der Eigner zusätzlich ordert oder später einbaut. All das macht das zunächst vorgesehene Nettogewicht zur Makulatur. In den Siebzigerjahren sprachen Yachtarchitekten und Werften deshalb augenzwinkernd von der sogenannten "Konstrukteurstonne".

Dank Erfahrung, zunehmendem Augenmerk auf das heikle Thema und computergestützter Yachtkonstruktion hat sich die Konstrukteurstonne der realen metrischen Tonne nach meiner Beobachtung in den letzten Jahren erfreulich angenähert. Profis kalkulieren ihre Entwürfe bei der Entwicklung des Bootes nach.

Wie optimistisch die Konstukteurstonne beim eigenen Boot ist, können Sie ziemlich einfach selbst prüfen. Vergleichen Sie die Wasserlinie, wie sie im Prospekt des Bootes eingezeichnet wurde, mit der tatsächlichen Schwimmlage des fahrbereiten oder Urlaubs-klaren Bootes. Ein Foto des Bootes von der Seite zeigt die aus dem Wasser ragende Bordwand bis zur Deckskante im Verhältnis zur bekannten Länge. Ziehen Sie das Foto vom Handy auf den Computer und vergleichen auf einem möglichst großen Bildschirm die Länge des Bootes mit der Bordwandhöhe. Das ist per Dreisatz flott ausgerechnet. Das Gewicht und die tiefere Schwimmlage haben übrigens Konsequenzen für den Tiefgang. Schon deshalb lohnt es sich, zu wissen, wie viele Zentimeter das Boot tiefer im Wasser liegt.

Ansonsten lässt sich der Abstand der Deckskante zur tatsächlichen Wasserlinie flott mit einem Bandmaß feststellen. Oft gibt auch die Position des Hecks beim modernen Boot unmissverständlich Auskunft zu den Gewichtsverhältnissen. Es ist erstaunlich, wie oft bei normal beladenen Booten die Unterkante des Hecks im Wasser steckt, obwohl es laut Werftprospekt nicht vorgesehen ist.

Es lohnt sich mal eine Waage zu leihen - besonders zum Wiegen mehrerer Boote
Es lohnt sich mal eine Waage zu leihen - besonders zum Wiegen mehrerer Boote © Kilomatic/Mietwaagen.de

Genauer, allerdings etwas aufwändiger ist es, das Bootsgewicht beim Krantermin mit einer geeichten Waage zu ermitteln. Einige Bootslagerbetriebe haben die Waage stets im Krangeschirr hängen. Man kann so eine Kranwaage auch ausleihen. Das Gewicht der Traverse und Gurte lässt sich leicht herausrechnen. Wer sich für die Fahr- und Segeleigenschaften seines Bootes interessiert, für den lohnt sich das. Leihen Sie die Waage beim Aus- oder Einwassern mehrerer Boote beispielsweise im Verein gemeinsam mit anderen Eignern aus. Das spart Geld, Zeit und mehrere Skipper wissen dann Bescheid. Ich habe das vor einer Weile mal gemacht. Seit diesem Termin habe ich begonnen das Boot auszuräumen und entbehrliche Sachen ausgebaut.

Beim Krantermin schafft der Blick auf die Waage Klarheit
Beim Krantermin schafft der Blick auf die Waage Klarheit © Swedesail

Beim Kleinkreuzer sorgt bereits der übliche Außenborder für die nachteilige Hecklastigkeit des Bootes. Ein erschreckendes Beispiel dafür sind die Bente Yachten, obwohl sie vom renommierten Konstruktionsbüro Judel/Vrolijk stammen. Hier wurde entweder die erwähnte Konstrukteurstonne beim Bau deutlich überschritten, oder es fehlt den Booten achtern Auftrieb (Volumen im Unterwasserschiff), um das Gewicht des Außenborders, der Extras und der Besatzung aufzunehmen.

Half load

In Datenblättern und Bootstests ist oft die Bezeichnung «half load» zu finden. Diese Zahl soll über das Nettogewicht zuzüglich halbvoller Tanks Auskunft geben. Sind die Tankgrößen der Sprit-, Frisch- und Abwassertanks bekannt, ist das rasch ausgerechnet. Ein Liter Diesel wiegt 0,83 kg. Das Gewicht der halbvollen Tanks kommt zum Nettogewicht hinzu.

Leider ist der Begriff «half load» nicht so eindeutig, wie er klingt. Streng genommen gehört das Gewicht der Standardausrüstung des Bootes dazu. Das wird von Konstrukteuren und Werften jedoch unterschiedlich gehandhabt.

Die Datenblätter der Motorenhersteller nennen zur Maschine und Getriebe zwei Zahlen. Das Nettogewicht der Aggregate und das einschließlich Motor-/Getriebeöl und Kühlwasser. Der Unterschied ist beim Hilfsmotor einer kleinen bis mittelgroßen Segelyacht zu vernachlässigen, bei großen Maschinen und zweimotorgen Yachten spielt er eine Rolle.

Unberücksichtigt bleiben bei «half load» die Extras, Proviant, Werkzeug, meist auch die übliche seemännische Ausstattung wie Ankergeschirr, Ankerspill, Tauwerk, Segel und Crew. Diese Zahl ist auch deshalb mit Vorsicht zu genießen, weil unklar ist, auf welchem Nettogewicht sie basiert. Ist das die beschriebene optimistischen bis theoretische Konstrukteurstonne oder das tatsächliche, nachträglich kalkulierte oder beim Prototypen überprüfte Nettogewicht? Konstrukteure und Werften nennen aus gutem Grund unverbindliche circa Maße und Gewichte. Da es im Yachtbau ums Verkaufen geht, werden stets vorteilhafte Zahlen genannt. Ich kenne keinen Yachttest, wo das tatsächliche Gewicht eines Bootes unter die Lupe genommen wurde. Die Klärung dieser für die Fahr- und Segeleigenschaften zentralen Frage ist aufwändig.

Also werden die Werftangaben ungeprüft übernommen. Streng genommen könnte der Käufer sein Boot reklamieren, wenn das Gewicht deutlich überschritten wurde. Werften nennen Gewichte daher stets unverbindlich. Im Prospekt zum Kleinkreuzer Bente 24 beispielsweise wird eine Verdrängung «ab 1.400 kg» für das «Leergewicht in der Standardausstattung» genannt.

Dass man auch anders, nämlich mit realistischen Zahlen arbeiten kann, beweist die in Radolfzell ansässige Bootskonstrukteurin Juliane Hempel. Sie hat mit mehreren anspruchsvollen Booten wie dem 12 Meter langen Bodensee Daysailer Yunikon» oder dem Neubau des 75er Schärenkreuzers «Gustav» von sich reden gemacht.

Eigner lieben Extras und Gadgets

«Ich bitte die Bootsbauer meiner Entwürfe jedes Einbauteil zu wiegen und im Vergleich zu meiner Gewichtsrechnung gegenzuchecken. So eine Gewichtsrechnung umfasst Hunderte von Punkten und betrifft drei verschiedene Ladefälle. Dazu kommt zu jedem Gewicht auch der Längen-, Höhen- und Querschwerpunkt. Ich nehme bei Tourenbooten immer «Mitte Reise» für die markierte Wasserlinie, sodass es leer höher schwimmt und voll beladen eben entsprechend tiefer. Falls ein Maximal-Tiefgang anhängig vom Liegeplatz und Revier vorgegeben ist, dann wird dieser auf max. Beladung festgelegt. Die Ausrüstung wird mit dem Auftraggeber festgelegt und auch hier eine Reserve berücksichtigt» berichtet Juliane Hempel.

Das ist leider nicht üblich. Bei Gesprächen mit Bootskonstrukteuren und Werften wird regelmäßig deutlich, dass die Profis der Branche bei Einzelbauten an ihren Auftraggebern verzweifeln. Denn Eigner mögen Gadgets. Sie unterschätzen dabei den nachteiligen Effekt von push button-Lösungen bei hydraulischen Heckklappen oder beispielsweise Rollbäumen für das Großsegelhandling. Rollbäume werden heute bereits bei handlichen Großsegelflächen geordert, wo der geübte Segler das Tuch in wenigen Minuten auf dem Großbaum zusammenlegen kann. Es lohnt sich über Kostengesichtspunkte und den Wartungsaufwand hinaus, beim Gewicht das Keep it simple Prinzip zu erinnern. Ich beschwöre es auch gutem Grund immer wieder.

Fahrbereit

Das ist das tatsächliche Gewicht des komplett ausgerüsteten Bootes, mit vollen Tanks (lässt sich wie beschrieben leicht ausrechnen), mit Rollanlage, Segeln, Extras wie Sprayhood, Bimini Klappverdeck, Kuchenbude, Proviant, üblichem Bordwerkzeug, Ersatzteilen. Hinzu kommt die Crew und ihr Gepäck. Da kommen dann einige hundert Kilo dazu.

Urlaubsklar

Heißt fahrbereit plus Proviant für den mehrwöchigen Törn, Reservesprit in zusätzlichen Kanistern, Reserveanker, zusätzlichem Tauwerk oder etwa Taucherausrüstung mit Kompressor.

Wie unterscheidet sich das urlaubsklare Boot vom Prospektgewicht?

Was bedeutet das für den Bootskauf?

Mit dem günstigen, für den Sommertörn mit Kind und Kegel überladenen Kleinkreuzer tun Sie sich keinen Gefallen. Niemand möchte damit auf der Adria in eine Bora kommen. Planen Sie lange Törns, sollten Sie den Unterschied zwischen dem theoretischen Prospektgewicht und der tatsächlichen Verdrängung des Urlaubs-klaren Schiffes kennen. Folgende Zahlen von Torsten Conradi zeigen, dass bei einem 13 m Boot für den Urlaubstörn mit 4 Personen allen Ernstes fast zwei Tonnen hinzukommen.

Die entscheidenden Zahlen sind rasch zusammengestellt
Die entscheidenden Zahlen sind rasch zusammengestellt © Swedesail

Da beim Wasser, Sprit, Gepäck und Lebensmitteln für den Sommertörn kaum gespart werden kann, bleibt Spielraum bei der durchdachten Ausrüstung des Bootes. Hier lohnt ein strenger Blick auf das Gewicht. Auch deshalb, weil man es immer mitschleppt.

Wie anspruchsvolle Konstrukteure und Werften vorgehen

Konstrukteure von Meterklassen (R-Yachten) oder den Booten der International Offshore Rule (IOR) kannten das Gewicht und damit die Wasserlinienlänge ihrer Entwürfe bis auf den Millimeter genau. Denn dieses Maß entschied bei den Meterklassen über die Segelgröße und bei IOR über die Zulassung der Boote zum (Admirals Cup) Regattasegeln. Da das Gewicht und die Schwimmlage der Boote ohne Crew bei der Vermessung berücksichtigt wurde, brachten Matatore des Metiers wie Doug Peterson, German Frers oder Judel/Vrolijk in den Siebziger- und Achtzigerjahren es zur Meisterschaft, den IOR-Booten netto die längstmögliche, gerade noch zulässige Wasserlinie zu geben. Defacto, mit Besatzung, lagen sie achtern dann tiefer im Wasser. Sie wurden mit diesem Kniff in der effektiven Wasserlinie länger und schneller. Diese beiden Beispiele aus der Geschichte des Regattasegelns zeigen, welche Präzision yachtbaulich möglich ist.

Bei einer 28 t schweren 12 mR Yacht ist die Wasserlinie millimetergenau bekannt
Bei einer 28 t schweren 12 mR Yacht ist die Wasserlinie millimetergenau bekannt © Swedesail

Bootsbauer, die auf die Fahr- und Segeleigenschaften ihrer Kreationen Wert legen, achten akribisch darauf, welches Gewicht dem Rohbau bei der Fertigstellung der Yacht zugefügt wird. Der finnische Spezialist Baltic Yachts beispielsweise hat sich bereits in den Siebzigerjahren auf schnelle und zugleich haltbare Leichtbauten konzentriert. Damit der enorme Aufwand mit harzreduzierten Hightech-Laminaten dem Eigner abschließend noch zugutekommt, wird alles unter die Lupe genommen. Das Gewicht jedes Beschlags und jedes Fundaments an Bord ist vorher grammgenau bekannt. Beim yachtbaulichen Meilenstein "Visione" von SAP Boss Hasso Plattner entstand selbst der Abgasstrang der Maschine als Sonderanfertigung aus leichten Hightech Materialien. Ein enormer Aufwand, der den Segeleigenschaften bei Leichtwind zugutekommt. Es geht um Segelgenuß.

Folgen für die Bootswahl: Verdränger statt Gleiter?

Bei der Motoryacht wird Übergewicht sofort anhand der Fahrleistungen deutlich. Wird beispielsweise die wirtschaftliche Reisegeschwindigkeit bei der vorgesehenen Idealdrehzahl der Maschine nicht erreicht, ist das Boot wahrscheinlich zu schwer. Der Gleiter bekommt dann das Vorschiff nicht mehr übers Wasser. Der Verbrauch steigt deutlich. Der bayrische Sachverständige und Bootskonstrukteur Klaus Röder von Carpe Diem Yacht Design berichtet von einem Fall, wo der Abgasstrang eines bestimmten Motoryachtmodells vollläuft, wenn der Käufer sämtliche Extras zum Boot bei der Werft ordert. Vorsicht also auch hier bei der Auswahl der Extras. Der Eigner muss die Konsequenzen dieser Entscheidung später auszubaden.

Was heißt das für Bootswahl?

Machen Sie sich überschlägig klar, wie viel Wasser, Treibstoff, Extras, Proviant und Gepäck Sie unterwegs an Bord brauchen. Was haben Sie vor? Mit wie vielen Personen legen Sie ab? Wie weit soll die Reise gehen? Sollten Sie nur geringe Einschränkungen bei den Fahreigenschaften und dem Fahrspaß hinnehmen, brauchen Sie eine Bootsgröße, wo die Zuladung die Fahreigenschaften kaum beeinträchtigt. Der Kleinkreuzer Bente 24 beispielsweise bietet mit einem segelfertigen Leergewicht «ab 1.400 kg» naturgemäß begrenzte Möglichkeiten für Gepäck, Wasser und Vorräte. Bei der Motoryacht führt die Zuladung zum wirtschaftlichen und hinsichtlich Gewicht weniger empfindlichen Verdränger anstelle eines feschen Gleiters.

Was immer Sie auf dem Wasser vorhaben: es lohnt sich einmal mit den meist übersehenen, physikalischen Zusammenhängen zu beschäftigen.

Was der Eigner tun kann

  • Was wird tatsächlich an Bord gebraucht? Ist das Boot in Ordnung und wird es im Hausrevier genutzt, kann schweres Spezialwerkzeug zu Hause bleiben.
  • Nehmen Sie kaputte oder veraltete Instrumente von Bord und ziehen stillgelegte Kabel aus den Kabelschächten.
  • Werfen Sie einen Blick in das Werkzeugschapp, unter die Salonsitzbänke und die Stauräume unter den Kojen.
  • Nehmen Sie gelesene Bücher und Zeitschriften vom Boot.
  • Notieren Sie für eine Weile die Gewichte der Ausrüstungen und Extras. So bekommen Sie ein Gefühl, was alles mitgeschleppt wird.
  • Achten Sie beim Kauf neuen Bootszubehörs und bei Umbauten auf das Gewicht.

Nehmen Sie von Bord, was entbehrlich ist

  • Welches der in den Zubehör-Listen der Werften und Katalogen der Bootsausrüster gepriesenen Extras wie Ankerwinsch, Beiboot mit Außenborder, Solarzellen, Gangways brauchen Sie tatsächlich? Gleiches gilt für den Warmwasserboiler, 12 zu 220 Volt Spannungswandler, Heizung oder Klimaanlage.
  • Moderne, zugleich für den Chartermarkt angebotene Tourensegelyachten haben riesige Sprittanks. Damit wird dem großen Anteil der Motorstunden beim Urlaubstörn entsprochen. Die «Dehler 42» beispielsweise, ein für den privaten Eigner und ambitionierten Segler gedachtes Boot, hat einen 160 l Dieseltank. Dieser Tank ist zur Vermeidung von Schwitzwasser und der gefürchteten Dieselpest stets voll zu halten. So schleppt die «Dehler 42» permanent 133 kg Diesel mit, auch wenn man nur einen Bruchteil davon im Sommer braucht. Die «Dufour 32» bunkert 90 l Sprit - für ganze 19 PS des 5 t Bootes.

  • Der Betriebsstundenzähler der Maschine, der Spritverbrauch bei üblicher Drehzahl des Motors und eigene Notizen zeigen, wie viel Diesel im Lauf der Saison überhaupt verbraucht wird. Ein zum tatsächlichen Verbrauch passender Dieseltank, um handliche 25 l Kunststoffkanister ergänzt, stellt sicher, dass der nötige Sprit an Bord ist. Als Gernesegler fahre ich den 75 l Tank meiner «Swede 55» in der Segelsaison nie leer. Ein 40 l Tank, ergänzt um einen handlichen Reservekanister, würde langen.

  • Füllen Sie die Frischwassertanks nur mit dem absehbar gebrauchtem Wasser. Gibt es keine Tankanzeigen an Bord, lohnt der nachträgliche Einbau. Die «Dehler 42» beispielsweise hat 295 l Frischwasser. So viel Wasser braucht ein Ehepaar an einem Segelwochenende nicht. Liegt das Boot danach eine oder zwei Wochen still, wird das Wasser aus hygienischen Gründen abgepumpt.

  • Schauen Sie sich im Lauf der mehrjährigen Nutzung Ihres Bootes an, was überhaupt benutzt wird. Bauen Sie überflüssige Extras, Beschläge oder Pumpen aus. Siehe dazu Betriebskosten im Rahmen halten. An Bord meiner «Swede 55» gibt es nur die tatsächlich genutzte Ausstattung, nötige Segel und Leinen an Bord.
VG