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Seemannschaft4 min Lesezeit

Wer aufsteht, macht das Licht aus

Von der Freiheit und Naturnähe des Ankerns

Wer aufsteht, macht das Licht aus
In der Orther Bucht/Fehmarn © Swedesail

Wer ankert, nutzt das eigentliche Privileg seines Bootes: Er bleibt, wo er will und genießt die Freiheit des Vagabundenlebens in vollen Zügen.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 31.07.2017, aktualisiert am 01.03.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Wie Sie die Fesseln des Landlebens draußen auf dem Wasser abstreifen
  • Warum ankern schöner ist als im Hafen liegen
  • Welche technischen Voraussetzungen es gibt
  • Was zu berücksichtigen ist

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Es gibt verschiedene Gründe, ein Boot zu haben. Man kann nach dem Motto «mein Haus, mein Auto, mein Boot» damit angeben. Etwas interessanter ist: Ein Motorboot oder Segelboot bietet auf wunderbare Weise Abstand vom Arbeits- und Landleben. Das klappt bereits beim ersten Schritt an Bord. Deshalb treiben gestresste Menschen den Aufwand fürs eigene Boot. Es ist das perfekte Hilfsmittel, um mal alles hinter sich zu lassen, Ruhe und Erholung zu finden.

Auch ist die Freude an der Nutzung, am Fahren nicht zu unterschätzen. Der Motorbootfahrer jagt auf seiner eigenen Gischtbahn hinaus auf die weite Wasserfläche. Der Segler macht das Beste aus Wind und Wellen. Dieses Spiel mit großem Suchtfaktor lässt sich endlos wiederholen.

Das wahre Privileg aber ist in meinen Augen die gewonnene Freiheit. Das ist in unserer Zeit, wo alles immer mehr eingeengt und reglementiert wird, wichtig. Früher galt das Auto als ideale Auszeitmaschine. Doch wo lässt sich heute noch entspannt Auto fahren? Geschwindigkeitsbegrenzungen, Radarfallen, Ampeln, nicht zuletzt all die anderen Autos trüben den Spaß. So verbringen wir unser Leben in einem engen Korridor von Ge- und Verboten. Es bleibt das Wasser als Reservat unserer beinahe vergessenen Freiheit. Der große Erzähler Stefan Zweig schrieb während einer Dampferfahrt über den Atlantik einmal von den «Vexationen des Landlebens», die er an Bord hinter sich ließ.

Freiheit fängt im Kopf an. Versuchen Sie einmal, die Fesseln der Gewohnheit abzulegen. Denn wo steht geschrieben, dass man mit seinem Boot morgens einen Hafen verlassen muss, um abends in einem anderen zu sein? Dieses Ritual erscheint mir absurd. Auch wenn es an sich schon herrlich ist, an Bord zu sein: Im Hafen liegen die Boote eng nebeneinander wie Ölsardinen in der Dose.

Wie Ölsardinen in der Dose, viel schöner ist es draußen in der Natur
Wie Ölsardinen in der Dose, viel schöner ist es draußen in der Natur © boat24.com

Viel schöner ist es draußen in der Natur zu bleiben. Dafür ist das Boot ja gedacht. Ankernd behält man Abstand vom Land. Es gibt keine Nachbarn, Hafenmeister, Rücksichten. Nach einem langen Tag auf dem Meer das parkähnliche Idyll einer geschützten Bucht ansteuern, ist ein wunderbarer Kontrast. Welch ein Genuss, in einer ringsum bewaldeten Bucht ankernd die Vögel zu hören. Oder sich gegen Abend am 28 Meilen langen Stand der dänischen Insel Langeland einen Platz für die Nacht auszusuchen. Es gibt da endlos Auswahl. Das ist Freiheit, Glück. Das geht nur mit einem Boot.

Ich segele gelegentlich mit Gästen. Dabei fällt mir auf, die groß die Ängste und Unsicherheiten beim Ankern sind. «Ja können wir denn hier einfach so bleiben?»«Hält der Anker?» (siehe:
Ankern: Hält er oder hält er nicht?) «Müssen wir auf Ankerwache gehen?» Meine Antwort lautet 2 x Ja und 1 x Nein. In den Bootsführerscheinschulen und Lehrbüchern wird das Thema zur Wissenschaft gemacht. Dabei braucht es doch nur ruhiges Wasser ohne Seegang mit Platz zum Schwojen, eine halbwegs stabile Wetterlage, reichlich Ankerleine (5 x die Wassertiefe). Und noch einen Ankerball für Tags und ein weißes Rundumlicht für die Nachtstunden – hauptsächlich um den Vorschriften Genüge zu tun, die in südlichen Gewässern die Bohne interessieren, im pingeligen Deutschland und der Schweiz aber schon.

Ich habe auf meinem Boot eine große Bordnetz-Batterie, hauptsächlich für den Kühlschrank und das Ankerlicht. Wer morgens als Erster aufsteht, macht das Licht aus. Nur bei schlechtem Ankergrund, großer Wassertiefe, einem absehbaren Wetterumschwung mit drehendem, auflandigem Wind, Seegang oder Gewitter gehört das Boot in den Hafen.

Frühstück auf dem Meer vor Langeland
Frühstück auf dem Meer vor Langeland © Swedesail

Herrlich beim Aufwachen das Plätschern des Wassers an der Bordwand zu hören. Wichtig ist eine Badeleiter, um morgens nach einer Runde ums Boot in der schönsten Badeanstalt der Welt wieder an Bord zu kommen. Eine Deckdusche
und eine Bialetti erscheinen mir ebenfalls unentbehrlich.

Und wenn Sie nach dem ersten Kaffee überlegen, ob Sie heute einfach bleiben, oder ob Sie als Wasser-Vagabund ein paar Meilen weiter ziehen zur nächsten Bucht, sind Sie an Bord und vielleicht auch bei sich angekommen. Dann ist die Erholung da!

Sollten Sie noch nie eine Nacht vor einem schönen Ufer verbracht haben, dann probieren Sie es mal aus. Vergessen Sie den Herdentrieb, die seltsame Gewohnheit, die alle Böötler allabendlich in die Häfen zieht. Die meisten Boote, speziell Motorboote, sind mit einsatzbereit auf dem Bug liegendem Anker perfekt vorbereitet. Da müssen Sie per Knopfdruck am Steuerstand nur noch die Bremse lösen und der Haken plumpst in den Lago oder das Meer. Wenn Sie noch kein Boot haben und Wert auf Komfort legen, schauen Sie sich mal einen Zweirümpfer an. Ein Katamaran (siehe: Katamaran: Zwei Rümpfe sind schick) ist seglerisch zwar nicht so interessant, schaukelt dafür aber nicht und ist das perfekte Outdoor-Wochenendhaus.

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VG