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Kaufberatung7 min Lesezeit

Richtige Segelboote

Von der Jolle bis zum Fahrtenschoner: die Auswahl ist groß

Richtige Segelboote
Traumhafte Segelyacht für das Hochsee-Sabbatical im Mittelmeer © boat24

Ist der Sommer endlich wieder da, fehlt eigentlich bloß das segelklare Boot fürs Glück auf dem Wasser. Am besten eines, das lange Spaß macht. Spielzeug, das man gerne behält und mit dem man sich seglerisch weiterentwickelt. Je nach Liegeplatz und Budget empfehlen sich Jollen, Kielbootklassiker und manche Rarität für den endlosen Segelgenuss.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 13.06.2014

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Tipps für den cleveren Einstieg
  • warum Sie am besten mit einer Jolle anfangen
  • wie es idealerweise weitergeht
  • warum das richtige Boot beim Einstieg so wichtig ist
  • Empfehlungen von Jollen und Kielbootklassikern
  • welche Yachten seglerisch dauerhaft beglücken

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Es ist für den Einsteiger nicht einfach, im riesigen Angebot gebrauchter Jollen, Kielboote und Yachten das richtige Modell zu finden.

  • Woran soll man sich orientieren?
  • Am Preis?
  • An der Frage, wie viel Boot es fürs Geld gibt?
  • Am Platz und Komfort?
  • Am Alter?
  • An den hoffentlich gutmütigen, auch mal Fehler verzeihenden Segeleigenschaften?
  • An Sicherheitsgesichtspunkten wie eingebauter Luvgierigkeit und hoffentlich ausreichenden Auftriebskörpern?
  • An der Stückzahl gebauter und der Flotte noch erhaltener Boote?
  • An der Frage, ob es eine aktive Klassenvereinigung mit hilfsbereiten Mitgliedern gibt?
  • An der Ersatzteillage?
  • Am Gesichtspunkt, ob das Modell noch oder neuerdings wieder von einer Nachfolgewerft gebaut wird?
  • An der durchdacht wartungsarmen und pflegeleichten Bauweise (wenig Holz)?
  • An der Fahrtentauglichkeit mit Übernachtungsoption?
  • Oder an der Aussicht, das Boot auf dem Autodach oder huckepack auf dem Trailer in den Urlaub mitzunehmen?
  • An der Handlichkeit des Bootes und der Frage, ob es sich allein oder zu zweit auf einem Slipwagen an Land ziehen lässt? Am Gesichtspunkt, wie kippelig das Gefährt ist?

Je nach Liegeplatz und Budget empfiehlt sich zum Einstieg eine handliche und agile Einmannjolle oder ein schwimmender Untersatz, in dem Sie zu zweit den Umgang mit Schot und Pinne lernen. Ein gutmütiges Segelschulboot oder eine behäbig sichere Wanderjolle ist eine gute Wahl.

Ich habe im Laufe der Jahrzehnte viel mit Einsteigern gesegelt. Dabei verblüfft mich immer wieder die Selbstverständlichkeit, mit der beim Einstieg ins Segler-Leben mindestens von einem kleinen, eher mittelgroßen Kajütboot geredet wird. Heute gilt die veritable 10-12 m Yacht mit allem Drum und Dran ernsthaft als Einsteigermodell. Der übliche Weg, das Metier zunächst mit einer Jolle kennenzulernen, ist seltsamerweise nicht vorgesehen.

Das ist nach meiner Beobachtung ein Fehler, denn Gespür für den Wind, seine Richtung und Stärke entwickelt man auf einem behäbigen Kajütboot viel später und schlechter als auf einer Jolle. Man sieht das unterwegs auf dem Wasser, wo stundenlang mit dicht geholten Tüchern mit dröger Fahrt durch die Gegend gegondelt wird. Oder wenn am Wind mit vorne eingebeultem, achtern auswehendem Vorsegel geschippert wird.

Unangenehm und für alle Beteiligten anstrengend wird es im Hafen, wo Boote beim „Einparken“ manövriert werden wie ein Wohnmobil. Der Wind, seine Stärke und Richtung werden nicht berücksichtigt. Deshalb, und weil moderne Boote mit U-spantig flachem Rumpf und wenig Lateralfläche von Kiel und Ruder rasch abtreiben, gehen Hafenmanöver so oft schief. Gerade An- und Ablegemanöver mit Charterbooten machen der Crew richtig Stress. Wenn dann noch Strömung wie beispielsweise in Svendborg im Südosten der Insel Fünen dazu kommt, ist der Ofen aus. Gefühl für ein Boot und seine geringe Spurtreue bei wenig Fahrt und Seitenwind entwickelt man mit der Jolle. Damit kann man als Einsteiger auch mal gegen den Steg fahren, ohne dass großer Schaden entsteht. Üblicherweise vermeidet man die Folgen eines schlecht geplanten Anlegemanövers mit Abhalten.

Jollensegeln macht viel Spaß

Hinzu kommt, dass Jollensegeln enorm Spaß macht. Der direkte Kontakt mit Wind und Wasser ist nicht zu toppen. Beim Am Wind-Kurs ein paar Grad zu weit abgefallen und das Boot liegt ordentlich ab der Seite. Die dunkel schraffierte Wasserfläche entgegenkommender Böen geschickt im spitzen Winkel angesteuert, zieht man Höhe und macht mit einer kleinen Kurskorrektur dann das Beste, rasante Geschwindigkeit daraus. Dieses Spiel aus Höhe und Fahrt lässt sich mit der Jolle endlos spielen. Mit etwas Übung fährt man damit durch dick und dünn.

Zum Einsteigen perfekt ist ein Laser, eine Europejolle oder ein Pirat. Den Conger oder Zugvogel gibt es mit Schwert als Jolle und Kiel als offenes Kielboot. Schauen Sie einfach, was auf dem Gewässer in Ihrer Nähe so an den Stegen liegt.

Es ist kein Zufall, dass diese Evergreens nach wie vor neu gebaut werden. Bewährte Bootsklassen haben eine beeindruckende Lebensdauer. Anspruchsvoller sind Gleitjollen wie der 420er, 470 oder ein 505er. Diese Boote werden mit Trapez zum Ausreiten gesegelt und sind anhand ihrer Länge in Zentimetern benannt.

Zum Einhandsegeln empfiehlt sich die altbewährte OK-Jolle oder ein Finn. Das sind tolle, bei Wind fordernde Boote, mit denen Sie bei Wind auch mal kentern, also baden gehen. Ich kenne Segler, die sind ihrer Jolle aus guten Gründen treu geblieben oder haben sich später, als das Familienleben und die berufliche Beanspruchung wieder Luft ließ, sich genau solch ein Boot aus den Zeiten der beinahe vergessenen Jugend zugelegt. Einfach, weil es interessant ist, mit dem Hintern im oder knapp über dem Wasser über den Hauslago zu schrubben. Die grausame Quittung kommt mit Beulen, blauen Flecken und schlimmem Muskelkater in den Oberschenkeln und der Bauchmuskulatur (soweit noch vorhanden) am nächsten Tag.

Weichen stellend ist die Entscheidung für ein richtiges Boot in Gestalt einer guten Jolle auch deshalb, weil ein träger Köderkasten auf Dauer wenig Spaß macht. Wenn Sie den Bogen raus haben und sich seglerisch weiterentwickeln möchten, dann langt das gutmütige Segelschulboot oder die Wanderjolle nicht mehr.

Dann steigen Sie vielleicht auf einen Flying Dutchman um, eine Trapezjolle, die am Wind gleitet und neben akrobatischer Bootsbeherrschung Mut und schnelles Reaktionsvermögen verlangt. Vielleicht entscheiden Sie sich auch für eine Soling, eine Tempest, das Zweimannkielboot Dyas oder eine Trias. Das sind tolle, pflegeleichte Boote, mit denen Sie über Jahre, Jahrzehnte eine Menge Spaß haben. Sie sind sicher und trailerbar. Eine ausgezeichnete Wahl ist auch das Dreimannkielboot Drachen. Sehr schön anzusehen, ein elegantes Boot mit endlosen Trimm-Möglichkeiten, allerdings auch teuer. Hinzu kommt der Nimbus der Klasse, der nicht jedermanns Sache ist. Andere steigen nach einer Weile in ein H-Boot um. Da kann man schon passabel an Bord übernachten.

Auch diese Boote werden nach wie vor oder neuerdings wieder gebaut. Schauen Sie sich auf der nächsten Bootsmesse mal um oder stöbern im Internet nach Klassenvereinigungen und Werften. Nach einigen Jahrzehnten sind die Kinderkrankheiten und hinlänglich bekannten Nachteile behoben. Wenn Sie nicht so viel für ein neues Boot ausgeben wollen, schießen Sie einfach ein günstiges Exemplar im Gebrauchtbootmarkt. Das Risiko eines Fehlkaufs hält sich in Grenzen. Sei es, dass am Boot doch mehr zu tun ist als gedacht. Sei es, dass Sie wider Erwarten mit dem schwimmenden Untersatz nicht gut zurechtkommen.

Eine O-Jolle ist die richtige Wahl als Haupt- oder Zweitboot für das Segelrevier vor der Haustür, die kleine Feierabendflucht aufs Wasser oder den perfekten Mittwochnachmittag. Nicht zuletzt tut man mit der 5 m langen, mit 11 ½ qm besegelten Olympia-Jolle was für seine Fitness. Denn bei zunehmendem Wind heißt es ausreiten: hängen, hängen, hängen.


Wer es etwas komfortabler mag, sollte sich die skandinavischen Kielboot-Klassiker Drachen und Folkeboot ansehen. Das sind schon richtige kleine Yachten, für die es einen Kran und dazugehörige Logistik braucht.

Mit dem internationalen Dreimann Kielboot Drachen segelt man in allen Segelrevieren zwischen Côte d’Azur bis nach Skandinavien in guter Gesellschaft. Auf namhaften Gewässern hierzulande gibt es substanzielle bis beeindruckend große Flotten. Eckdaten: circa 9 x 2 m, 1,20 m Tiefgang, 1,7 t, knapp 28 qm am Wind, Spinnaker etwa 24 qm. Ein tolles und wertstabiles Boot, von unseren Revieren nicht wegzudenken. Wer Regatta-Ambitionen hat, kann sich damit bis ins Alter endlos austoben. Die Leistungsdichte ist groß. Einer der schönsten, wenn nicht der schönste Daysailer überhaupt. Ein Evergreen: Kaufen und – noch wichtiger – oft segeln: Mittwochs, Freitag in den Abend hinein, samstags und oder sonntags.

Man kann den Drachen auch in den Sommerurlaub mitnehmen und übernachtet mit dem nötigsten Gepäck an Bord. Mit dem Drachen wurden und werden ausgedehnte Törns gesegelt. Die ligurische Küste entlang zur Cote, zur dänischen Südsee, die schwedischen Schären? Kein Thema. Leinen los!

Den Drachen gibt es als wunderschönen Kielboot-Klassiker auch gebraucht
Den Drachen gibt es als wunderschönen Kielboot-Klassiker auch gebraucht © boat24

Wer es eine Idee komfortabler mag und ein beeindruckend seetüchtiges Schiff möchte, sieht sich das Folkeboot an. Eckdaten 7,64 x 2,20 m. Es hat ebenso wie der Drachen ganze 1,20 m Tiefgang, ist allerdings schwerer. 24 qm mit Groß und Fock. Spinnaker und ähnliche Fisimatenten gibt nicht. Kein Ausbund an Agilität, aber mit dem schönen Sprung über dem geklinkerten Rumpf ein Charmeur. Eignet sich für den Baldeneysee, Berliner Gewässer oder den sommerlichen Seetörn. Für beide Boote gilt: Gute Substanz, viele Werften, lebendige Szene.

Darf es etwas extravaganter sein? Dann ist der 22er Schärenkreuzer interessant. Diesen ursprünglich schwedischen Klassiker gibt es seit mehr als einem Jahrhundert. Neuerdings schwappt die Woge der Begeisterung an die deutsche Ostseeküste, nach Berlin und an den Bodensee. Länge 10 – 13 m, Breite 1,80 – 2,40 m, Gewicht 1,8 – 2,4 t, vermessene Segelfläche 22 qm, real deutlich mehr. Die Klasse organisiert sich neuerdings in Deutschland und der Schweiz. Großer Genuss an der Pinne. Ein federleichter, sensibler und herrlich anzuschauender Renner. Angucken, ausprobieren, den Sommer über kennenlernen und vielleicht zur nächsten Regatta melden.

Wem Drachen, Folkeboot und 22er Schärenkreuzer zu wenig Komfort bieten, sollte sich den klassischen Van de Stadt Seekreuzer Typ „Tulla“ ansehen. Der Langkieler ist immerhin 3 m breit und bietet unter dem stufigen Aufbau eine kleine Welt mehr Platz. Eine klassische Fahrtenyacht der Sechziger Jahre mit Charme und Gesicht. Prädikat: besichtigenswert. Dieses Boot kriegt an jedem Liegeplatz ein Lächeln.

Und wie wäre es mit der größeren H-Boot-Schwester vom Typ H35, alternativ einer Luffe 37? Interessant ist auch die etwas größere Luffe 40. Beides sind seglerisch schlimme Feilen mit hohem Suchtfaktor. Kenner und Genießer schwören auch auf die ebenfalls dänische Werftklasse Molich X. Ein tolles Boot mit ausgezeichneten Segeleigenschaften. Die 10 bezieht sich auf die Wasserlinienlänge. Das Boot ist insgesamt 12 m lang, ganze 2,55 m und bietet in der Plicht unter freiem Himmel volle Stehhöhe. Gewisse Einschränkungen müssen hinsichtlich Bordleben und Komfort in Kauf genommen werden, weil es keines der modernen Raumwunder ist. Hinter der Molich X steht eine aktive Klassenvereinigung. Mit diesem Boot und klarer seglerischer Präferenz erleben Sie unvergessliche Stunden auf dem Wasser. Darum geht es meiner Ansicht nach mit dem richtigen Boot.

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VG