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Kinder an Bord, alle in einem Boot

Die lieben Kleinen – spielend an der Pinne und Vorschot oder doch besser „am Mast gefesselt“?

Kinder an Bord, alle in einem Boot
Segeln mit Kindern – viel schöner, als manche befürchten. © pixabay.com / yasioo

Sie wollen, sie wollen nicht oder vielleicht doch, aber nur ein bisschen? Das Thema beschäftigt Eltern, seitdem Wassersport nicht mehr nur eine Freizeitbeschäftigung fürs betuchte Adelsgeschlecht ist: Nehmen wir unseren Nachwuchs mit aufs Boot und verbringen unsere Ferien oder Wochenenden gemeinsam auf dem Wasser? Oder ist das weder für Eltern noch für die Kinder zumutbar?

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 20.12.2016, aktualisiert am 16.12.2022

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Tipps und Tricks für das Bordleben mit Kindern.
  • Was am Boot vor dem Familientörn geändert werden muss.
  • Wie die lieben Kleinen am besten unterhalten werden.

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Um es gleich vorweg zu nehmen: Es kommt immer auf die Eltern an! Denn Kinder sind auch an Bord, genau wie im Alltag, deutlich anpassungsfähiger als "wir Alten". Und sie finden, im geringsten Anlass, genügend Stoff für Abenteuer und Traumreisen – vorausgesetzt, sie werden auf den dafür richtigen Kurs gebracht.

Doch ist bekanntlich die größte Sorge der meisten Eltern nicht das etwa nölende, weil gelangweilte Kind, sondern eher die Sicherheit an Bord. Ist mein Kind auf einem Boot nicht permanent Gefahren ausgesetzt?

Auch hierzu kann frank und frei geantwortet werden: Ja, Risiken lauern überall. Aber sie sind nicht zahlreicher als im Straßenverkehr oder im Schwimmbad.

Mit den folgenden kleinen "Checklisten" wollen wir Ihnen und den "lieben Kleinen" den Schritt vom Steg aufs Boot erleichtern. Einige Tipps mögen Ihnen profan erscheinen, werden sich aber beim Befolgen als wichtiges Puzzleteil im Gesamtgefüge "Familienurlaub auf dem Wasser" erweisen.

Die Vorbereitung

Sie sind begeisterter Segler oder Motorbootfahrer, haben aber noch kein eigenes Boot und fragen sich, ob Ihre Kinder später auf dem Wasser immer noch ihre Kinder bleiben wollen? Dann machen Sie erstmal die Probe aufs Exempel, leihen sich entweder von Freunden eine Yacht oder chartern ein adäquates Familienboot (siehe weiter unten). Besonders eignen sich für den ersten Törn mit Kindern übrigens Flottillenfahrten mit anderen Familien, die in ähnlicher Situation wie Sie sind. Hierfür gibt es spezielle Angebote, die größtenteils professionell, vor allem aber kindgerecht gestaltet sind. Sehr empfehlenswert!

Es muss aber nicht gleich eine Flotille sein. Gemeinsame Ausfahrten mit zwei Booten – etwa die Familie am Nachbarsteg, mit deren Kids, die eigenen sowieso immer spielen – erfüllen den gleichen Zweck. Alles Einschätzungssache, vor allem aber eine Frage der Zeit und Gelegenheit!

Sie sind begeisterter Segler oder Motorbootfahrer und ganz sicher, dass Sie ein eigenes Boot erwerben wollen, auf dem Sie später "en famille" Ihre Freizeit verbringen möchten? Dann haben wir für den Kauf einige Tipps für Sie parat:

  • Ganz egal ob Neu- oder Gebrauchtboot, denken Sie an ihre Kinder! Und erst zuletzt an Ihre sportlichen Ambitionen. Soll heißen: keine Rennyacht, mit der Papa Geschwindigkeitsrekorde brechen kann, sondern ein ruhiges, gerne auch stäbiges Fahrtenboot.
  • Natürlich sind Segel- und Fahrteigenschaften mitentscheidend, aber das wichtigste Argument soll immer sein: Sicherheit. Entsprechend keine übertakelten Renner oder aufgemotzten PS-Protze. Sondern höchstens die "Goldene Mitte" für Vernunftbegabte.
  • Im Zweifel das Boot mit mehr Innenraum nehmen. Denken Sie immer dran: Auf Törn werden sich ihre Kinder bei schlechterem Wetter viel mehr unter Deck aufhalten als Sie selbst. Und außerdem schlafen alle Beteiligten deutlich besser, wenn Eltern UND Kinder jeweils ihr eigenes Reich haben.
  • Achten Sie darauf, dass ihr Boot auch alleine, also einhand zu beherrschen ist. Im Zweifel probieren sie den Einhandbetrieb aus oder bauen um (was meistens kein großes Problem darstellt). Denken Sie immer daran: Nie wird ein Elternteil so sehr von den Kindern gebraucht, wie in dem Moment, wenn die beiden Erwachsenen zusammen ein Manöver fahren wollen bzw. müssen.
  • Achten Sie beim Bootskauf darauf, dass für die Kinder genügend "Spielraum" zu Verfügung steht. Soll heißen: Lieber eine größere "Liegewiese" unter Deck, als vier Schränke, in denen die Unterwäsche sauber verstaut werden kann.

Sie sind begeisterter Segler oder Motorbootfahrer, haben längst ihr eigenes Boot, wollen aber nun erstmals einen längeren Törn mit der Familie unternehmen? Dann sichern Sie Ihr Boot neu ab und denken Sie sich in die bevorstehende Familiensituation.

  • Spannen Sie Sicherheitsgurte über die gesamte Bootslänge, damit ihre Passagiere immer und in jeder Situation angeleint sein können.
  • Reling auf Festigkeit überprüfen.
  • Netze in die Reling einarbeiten.
  • Unter Deck: check Gasanschluss (Tür zur Flasche verschließbar?), Herd ok? Können unnötig scharfe Kanten irgendwie vermieden werden? Handläufe oder genügend Stützen auf Kinderarmhöhe?
  • Boot ist problemlos einhand zu segeln oder gegebenenfalls zu fahren? Wenn nicht: Umrüstung ist meist nicht aufwändig!

Unter den Erwachsenen ist eine Person, die sich als versierten Wassersportler bezeichnet und die zweite Person "kann ein bisschen", verlässt sich aber ansonsten auf den anderen? Dann sollte der oder die Unerfahrenere schleunigst einen Auffrischungskurs machen. Vermeiden Sie, das nötige Know-how bei ihrem Partner, Ihrer Partnerin zu holen. Das wird erfahrungsgemäß nichts – nutzen Sie Kurse oder Training in Vereinen oder bei kommerziellen Anbietern. Merke: Es gibt 1001 Situationen, in denen Sie und nur Sie gefordert sein könnten!

Kind fährt Motorboot, Stockholm Schärengarten Schweden
Kind fährt Motorboot, Stockholm Schärengarten Schweden © Melker Dahlstrand / imagebank.sweden.se

Sicherheit

  • Wer steuert, kann sich nur schlecht um die Sicherheit der Kids kümmern. Deshalb Aufgabenteilung!
  • Machen Sie Ihre Kinder mit den wichtigsten Sicherheitsregeln an Bord in aller Ruhe vertraut.
  • Ja, größere Kinder sollten durchaus auch den MOB-Knopf und seinen Nutzen kennen.
  • Kinder, die "an der frischen Luft" sind, sollten IMMER eine Schwimmweste tragen. Auch solche, die "gut schwimmen können".
  • Großen Wert auf Schwimmwesten legen. Möglichst automatische Schwimmweste nutzen, die exakt auf das Körpergewicht der Kinder abgestimmt ist (ab 20 kg).
  • Den Kindern muss klargemacht werden, dass sie nicht gegen die Reling lehnen und nicht unter dem Netz durchkrabbeln dürfen.
  • Es gibt eine Regel, dass Kinder nicht an Bord herumrennen dürfen. Netter Versuch… aber achten Sie darauf, dass die Toberei an Deck nicht ausartet.
  • Kinder sollten an Deck nicht einen Moment unbeaufsichtigt sein!
  • Bei schlechtem Wetter, bei höherem Seegang sollten sich Kinder unter Deck aufhalten. Kleinere Kinder NIE ohne Erwachsene.
  • Luken IMMER geschlossen halten (Sturz- und Stolperfallen)
  • Niedergang immer frei lassen.
  • Wer von Bord geht (etwa vor Anker oder im Hafen) sollte sich grundsätzlich abmelden!

Unterhaltung

Denken Sie immer daran: Wenn sich Kinder (und mitunter auch Jugendliche) an Bord langweilen, dann ist das nicht immer deren Schuld!

  • Bücher (siehe: Segelbücher, die man gelesen haben sollte) zum Vor- oder Selberlesen sind neben der Schwimmweste das wichtigste Törngepäck für Kinder.
  • Nehmen Sie nicht zu viel Spielzeug von zuhause mit. Die Kids suchen sich ihre Spiele an Bord schon selbst aus.
  • Nehmen Sie für kleinere Kinder eine vertraute Decke oder ein Schmusekissen mit. Das kann Wunder bewirken.
  • Größere Kinder, etwa ab sieben Jahren, sollten in "wichtige" Manöver einbezogen werden bzw. diese vollständig alleine ausführen: Flaggen setzen, Leinen klarieren, Fender anbringen, Ausguck halten (aber bitte nicht im Krähennest auf 15 Meter Masthöhe), Landmarken entdecken, Manöverbefehle weitergeben, Deckschrubben, Logbucheinträge (Kompassdaten angeben), Kurs bestimmen, Karten "lesen" etc.
  • Mindestens genauso wichtig: Den Kindern im gesteckten Sicherheitsrahmen zwischendurch Freiheiten lassen. So können sie kreativ werden, sich ihr eigenes Universum an Bord schaffen, eigene Spiele erfinden.
  • Sollten Sie nur ein Kind haben, das auch noch regelmäßig "keine Lust auf Bootfahren" hat – nehmen Sie doch mal Freund oder Freundin Ihres Kindes mit aufs Boot. Sie werden staunen, wie stolz Ihr Kind dem Freund "sein" Reich zeigt und was die beiden zu zweit alles anstellen können.

Es kann auch ganz entspannt sein auf dem Boot mit Kindern
Es kann auch ganz entspannt sein auf dem Boot mit Kindern © pixabay.com / pasja1000

Egal, ob Wochenend- oder wochenlanger Urlaubstörn: Die Kinder wollen und sollen bei der Gestaltung des Tagesablaufs mitbestimmen. Es gibt tatsächlich Kinder, denen macht es nichts aus, ganze Tage lang (mitunter auch nachts) mit den Eltern auf dem Boot "eingesperrt" zu sein. Andere sind schon nach 4-5 Stunden Fahrt überfordert.

Entsprechend sollten Sie Ihre Strecken planen und Ziele stecken. Verständlich: ein stundenlanger Am-Wind-Kurs auf einer "Backe" lässt sich leichter ertragen, wenn die Kids wissen, dass eine Ankerbucht zum Piratenspielen auf sie wartet. Oder der nächste Hafen, in dem es endlich die heiß ersehnten Pommes mit Mayo geben wird.

Und übrigens, Sie wissen ja, dass Ihre Kinder hervorragend funktionierende "Antennen" haben. Eine Bootsfahrt kann also nur so entspannt ablaufen, wie die Erwachsenen gelassen und relaxt sind. Kinder merken sofort, wenn die Eltern Angst oder Stress haben. Deshalb immer Ruhe bewahren und "cool bleiben". Denn schließlich sitzen Sie eben doch "alle in einem Boot!".