Boote im Porträt3 min Lesezeit

Schöner Kentern

Die Regatta-Premiere des ersten Fahrtenkatamarans auf Foils fiel buchstäblich ins Wasser.

Schöner Kentern
Kurz vor dem Abgang – alles nur ein PR-Gag? © ultimatesailing.com/Sharon Green

Das Gunboat G4 wurde als Revolution im Markt der Performance-Fahrtenkatamarane angekündigt: „Foilend“ über die Meere schweben, ohne dass dabei der Rosé-Wein im Glas überschwappt. Als wichtigstes Attribut wurde neben der schieren Geschwindigkeit die Sicherheit an Bord genannt – ausgerechnet! Denn gleich beim ersten Regatta-Auftritt kenterte der Katamaran. Desaster oder Lehrstück?

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 07.12.2022

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Auch bei Profis gilt: Shit happens!
  • Gunboat wollte ihren ultimativen, foilenden Reise-Kat bei der Jungfernregatta vorstellen – und scheiterte kläglich.
  • Filmaufnahmen zeigen deutlich, dass die Foils keine Schuld trifft.
  • Der Kat trug keine Schäden davon – das Gunboat-Image schon!

Artikel vorlesen lassen

Finden Sie Ihren idealen Katamaran - in unserer großen Auswahl auf dem Marktplatz

zurück
weiter

Alle Angebote in der Übersicht

Als hätte Monty Python Regie geführt. Nach einer höchst spannenden, durchweg öffentlich inszenierten Entwicklungs- und Produktionsphase (siehe Rasant reisen – auf Tragflächen ), hielt die Baunummer 1 des Gunboat G4 genau das, was von seinen Designern und Erbauern versprochen wurde: Es sieht rassig aus, zeigt sich äußerst Kurs-stabil im „Flug-Modus“ und erreicht dabei Geschwindigkeiten im 25-30 Knoten-Bereich, die selbst von einer nicht auf Regatta geeichten Crew lässig zu beherrschen ist.

Die Ankündigung, dass dieser erste Performance Cruiser auf Tragflächen tatsächlich sicherer segelt als mit dem Leeschwimmer im Wasser, schien sich zu bewahrheiten: Schlicht beeindruckend waren die Bilder von den ersten Ausfahrten, bei denen das Fahrten-Geschoss über der Wasseroberfläche schwebte und dabei die gefürchteten Stecker-Wellen einfach unter sich ließ.

Shit happens

Doch dann kam der erste Regatta-Auftritt des G4. Standesgemäß wurde dafür die illustre Jetset-Regatta „Les Voiles de St. Barth“ in der Karibik gewählt. Dort, wo sich so ziemlich alle treffen, die Rang, Namen oder einfach nur das nötige Kleingeld haben, um mit den schönsten, größten und beeindruckendsten Yachten um die Wette zu segeln.

Dazwischen flitzte das vergleichsweise kleine Gunboat G4 wie ein wild gewordener Moskito und stach alle und jeden, egal auf welchem Kurs, lässig aus.

Bis zu diesem Moment, als bei relativ wenig bewegter See und eher moderaten Windstärken – alle Yachten inklusive G4 segelten unter vollem Groß und asymmetrischem Spi auf dem Reachkurs – der Katamaran nach einer einfallenden Böe stark krängte.

Das Vorsegel wurde relativ rasch gefiert, dort war der Druck also raus. Dennoch schob sich das Boot, immer weiter krängend, an den Wind. Klassische „Rien-ne-va-plus“-Situation: kein Speed mehr im Schiff und dennoch voller Druck im Groß, Abfallen nahezu unmöglich – das Gunboat G 4 musste kentern. Und zwar aus einem einzigen Grund: Weil das Groß nicht ausreichend gefiert, lediglich im Traveller ein wenig Druck herausgenommen wurde.

„Shit happens“ könnte man jetzt sagen. In unmittelbarer Umgebung flog ein Medien-Hubschrauber, von dem aus jedem einzelnen Schritt der Kenterung fotografiert wurde, womit die kleine Sensation perfekt war: Jungfern-Regatta des Gunboat G4-Foil-Cruisers und gleich kentert das Teil. Na super!

Lehrstück oder Desaster?

Doch im Nachhinein erwies sich ausgerechnet diese Medienpräsenz als Glücksfall. Wäre das Gunboat G4 sozusagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gekentert, hätte man der Profi-Crew wohl kaum abgenommen, dass ihr Boot aufgrund eines lapidaren, technischen Problems umkippte: Das Not-Auslösessystem für die Großschot hatte sich nicht geöffnet.

Tage später sickerte durch, dass dies überhaupt das erste Mal gewesen sei, dass man dieses Sicherheitssystem in der Praxis getestet habe. Was wohl ein echter Fehler ist, den man der Prototypen-Crew des Gunboat G4 vorwerfen kann.

Die Werft ging nach diesem Faux-Pas in die Offensive und schickte einen mit lockerer Musik untermalten „Schöner-Kentern“-Film per YouTube und Vimeo durch die weltweite Szene. Auf dem wurde deutlich, dass die Kenterung eine „klassische“ war und im Prinzip nichts mit abnorm hoher Geschwindigkeit auf Tragflächen-Foils zu tun hatte.

„Sicherheit“ kann für keinen Mehrrumpfer bedeuten, dass er kentersicher ist. Sobald zu viel Druck im Segel die Yacht über das aufrichtende Moment hinweg drückt, wird sie kentern. Ganz egal ob mit oder ohne Foils.

Und die Moral von der G’schicht? Auch auf revolutionären Katamaranen müssen vor allem die simplen Manöver funktionieren – erst recht im Notfall. „Es war eine ziemlich doofe Kenterung“ wird die Crew im Nachhinein zitiert. „Ein Glück, dass sie uns passiert ist und wir den problematischen Auslösemechanismus schon auf Baunummer 1 auswechseln konnten.“

Übrigens, dem Image des Gunboat G4 tat die Kenterung keinen Abbruch. Es wird gemunkelt, die Auftragslage für den foilenden Performance Cruiser sei „äußerst zufriedenstellend“.

Weiterführende Links